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Ein Unfallopfer erhält die Nutzungsausfallentschädigung nicht nur für die Zeitspanne der Reparatur, sondern auch für die Zeit der Gutachtenerstellung. Letzteres wird öfters übersehen. Was ist aber, wenn aufgrund von Reparaturengpässen nicht nur die Erstellung des Gutachtens länger dauert, sondern auch die Reparatur?

Auch dann erhält der Geschädigte für den gesamten Zeitraum eine Nutzungsausfallentschädigung. Ihm kann nicht vorgeworfen werden, gegenseitig Schadenminderungspflicht verstoßen zu haben. Zumindest dann nicht, wenn er bei der Auftragsvergabe nicht wusste, dass es zu erheblichen Verzögerungen kommen würde (Amtsgerichts Altenkirchen vom 3. März 2022, AZ: 71 C 3 140/21).

Nutzungsausfall für Gutachten und Reparatur

Nach einem Unfall war die Schuldfrage völlig klar. Gestritten wurde noch über die Dauer der Nutzungsausfallentschädigung. Für die Erstellung des Gutachtens war eine Demontage von Fahrzeugteilen erforderlich. Diese dauerte durch Arbeitsengpässe bei dem Reparaturbetrieb länger, darum verzögerte sich auch das Gutachten. Im Laufe der Reparatur kam es zu erneuten Verzögerungen, insbesondere durch die Nachbestellung von Ersatzteilen und die Zeit der Lackierung. Der Geschädigte machte insgesamt 63 Tage Nutzungsausfall geltend, die Versicherung gewährte nur 38 Tage.

Versicherung dürfen Dauer des Nutzungsausfalls nicht kürzen

Die Klage war erfolgreich. Das Gericht verwies auf das sogenannte Werkstattrisiko. Demnach umfasst es auch Verzögerungen bei der Reparatur als auch Verzögerungen bei der Gutachtenerstellung. Dieses Werkstattrisiko trägt allein der Schädiger. Wusste der Kläger bei der Auftragsvergabe an den Reparaturbetrieb nicht, dass es dort zu erheblichen Verzögerungen kommt, kann ihm das auch nicht vorgeworfen werden. Deshalb er für die volle Zeitspanne der 63 Tage Entschädigung für den Nutzungsausfall.

Ersatz der Nutzungsentschädigung, der Mietwagenkosten und der Kosten des Prozessbevollmächtigten für eine vergebliche Geltendmachung beim „falschen“ Versicherer

Das Amtsgericht Kerpen hat durch Urteil vom 30.10.2019 – Az.: 110 C83/18 – entschieden, dass der Geschädigte, der substantiiert die fühlbare Beeinträchtigung der Nutzung darlegt, auch dann einen Ersatzanspruch in Form einer Nutzungsentschädigung hat, wenn er kein Ersatzfahrzeug mietet. Das AG Kerpen legt bei der Ermittlung der Höhe der Mietwagenkosten das arithmetische Mittel der Schwacke-und der Fraunhofer-Liste zugrunde.
Aus Gründen der Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen bevorzugt das AG Kerpen weiterhin die seit der Entscheidung des OLG Köln vom 30.7.2013 eingenommene Linie der Schadensschätzung, die ausreichend Raum gibt, den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der ortsüblichen Mietwagenkosten erscheint grundsätzlich, wie auch im Streitfall, nicht geboten. Im Hinblick auf die von der Beklagten vorgelegten Internet-Angebote hat das AG Kerpen Bedenken hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Tarife. Das von der Beklagten vorgelegte Angebot bezieht sich nicht auf ein bestimmtes Fahrzeugmodell. Es wird lediglich ein Beispiel für eine bestimmte Fahrzeugklasse angeboten. Auch lassen sich dem Angebot nicht die Kosten entnehmen, die sich für die von der Geschädigten in Anspruch genommenen Zusatzleistungen, wie Zusatzfahrer, Zustellung/Abholung oder geringere Selbstbeteiligung, im Schadensfall ergeben. Der Abzug für ersparte Eigenaufwendungen kann regelmäßig auf 4 % geschätzt werden. Dieser ist nicht vorzunehmen, wenn ein klassentieferes Fahrzeug angemietet wurde. Soweit die Beklagte der Ansicht ist, dass die Mietdauer allenfalls mit 19 Tagen anzusetzen sei, teilt das Gericht diese Ansicht nicht. Denn die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass ihr eine frühere Finanzierung nicht möglich war. Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder gar einen Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen. Eine solche Pflicht kann ausnahmsweise dann bejaht werden, wenn der Geschädigte sich den Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und er durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird. Die Beklagte muss auch die Kosten für eine vergebliche Geltendmachung bei der „falschen“ Versicherung zahlen. Denn die Geschädigte macht mit der Klage nicht Kosten für ihre Tätigkeit gegenüber der Versicherung geltend, sondern für die Tätigkeit gegenüber der Beklagten. Im Übrigen hat die Beklagte unstreitig die Kosten, die der Klägerin für das Tätigwerden ihres Prozessbevollmächtigten gegenüber der Versicherung entstanden sind, bereits vollständig beglichen. Insofern ist in dem Verhalten der Beklagten ein Anerkenntnis zu sehen. Das Risiko, dass sich der Geschädigte nicht an die Versicherung des Schädigers wendet, sondern aufgrund ihm vom Fahrer des gegnerischen Unfallfahrzeuges mitgeteilter falscher Informationen eine falsche Versicherung kontaktiert, kann nicht dem Geschädigten zugerechnet werden. Auch die Beklagte hätte sich jederzeit bei der Klägerin zur Abwicklung der Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis melden und so frühzeitig solche Kosten vermeiden können.

Auf Wiederbeschaffungskosten entfallende Umsatzsteuer ist zu ersetzen/Nutzungsausfallentschädigung/4 Wochen Prüfungsfrist sind für Haftpflichtversicherer angemessen

Das Landgericht Stralsund kommt in seinem Urteil vom 13.07.2015 – Az: 7 O 19/15 – zu dem Ergebnis, dass der Geschädigte Anspruch auf die auf die Wiederbeschaffungskosten entfallende Umsatzsteuer hat. Die Umsatzsteuer ist nicht nur zu erstatten, wenn das beschädigte Fahrzeug repariert wird, sondern auch, wenn ein Ersatzfahrzeug beschafft wurde. Denn auch dies ist eine Form der Naturalrestitution. Der Geschädigte konnte, indem er die Umsatzsteuer ausweisende Rechnung über das Ersatzfahrzeug vorgelegt hat, nachweisen, dass die Umsatzsteuer angefallen ist. Ausreichend ist hierfür, dass der Geschädigte die Auftragsbestätigung und die verbindliche Bestellung vorlegt. Der Höhe nach hat der Geschädigte Anspruch auf die tatsächlich angefallene Umsatzsteuer, also auf die Umsatzsteuer aus dem tatsächlichen Kaufpreis für das Neufahrzeug. Der Restwert ist dabei nicht abzuziehen.
Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung war gegeben, da der Kläger den Willen und die Möglichkeit gehabt hat, das Fahrzeug zu nutzen. Er war daran nicht durch unfallbedingte Verletzungen gehindert. Der Nutzungswille wird vermutet; deshalb müssen dazu i.d.R. keine näheren Einzelheiten vorgetragen werden. Hat der Geschädigte erst einige Monate vor dem Unfall ein neues Fahrzeug erworben, so wäre es unplausibel und lebensfremd anzunehmen, dass der Kläger gar kein Kraftfahrzeug benötige oder ein solches nicht habe nutzen wollen. Allein aus dem Umstand, dass der Kläger Rentner ist, ergibt sich nichts Anderes. Auch der Umstand, dass von dem Unfall bis zur Bestellung eines neuen Fahrzeugs fast vier Monate verstrichen sind, spricht nicht gegen den Nutzungswillen. Der Kläger hat dies mit seinen finanziellen Verhältnissen hinreichend erklärt.
Das LG Stralsund hat im vorliegenden Fall eine Prüfungsfrist von vier Wochen für die gegnerische Haftpflichtversicherung als angemessen erachtet. Es ist von einer eher einfachen Angelegenheit (Abrechnung des Wiederbeschaffungswerts auf Gutachtenbasis), bei der teilweise eine Frist von drei Wochen für angemessen gehalten wird, teilweise eine Frist von vier bis sechs Wochen, ausgegangen.

Nutzungsausfallentschädigung für 63 Tage, wenn auf dem regionalen Markt kein vergleichbares Fahrzeug zu beschaffen ist

Das Amtsgericht Bonn vertritt in seinem Urteil vom 03.05.2016 – Az.: 104 C 101/15 – die Auffassung, dass ein Geschädigter sich bei der Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges nicht auf Fahrzeuge verweisen lassen muss, die entweder deutlich mehr Kilometer gelaufen haben oder denen wesentliche Ausstattungsmerkmale, wie z.B. ein Panoramadach, fehlen. Der Geschädigte ist auch nicht verpflichtet, über den regionalen Markt hinaus nach Fahrzeugen zu suchen. Bei dem Unfallwagen handelte es sich um ein vier Monate altes quasi neuwertiges Fahrzeug. Nach Ansicht des AG Bonn ist nicht zu beanstanden, dass der Geschädigte, nachdem das Gutachten erstellt war, 11 Tage gewartet hat, bis er einen neuen Pkw bestellte. Die lange Lieferzeit bis zur Zulassung des Neuwagens geht nicht zu Lasten des Geschädigten, da nicht nachgewiesen ist, dass er seiner Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen ist.

Ersatz der Reparaturkosten und der Sachverständigenkosten, Nutzungsausfallentschädigung, merkantiler Minderwert

Das Landgericht Köln kommt in seinem Urteil vom 29.03.2016 – Az.: 36 O 65/15 – zu dem Ergebnis, dass der Geschädigte auf Basis des von ihm in Auftrag gegebenen Privatgutachtens darauf vertrauen kann, dass der darin vorgeschlagene Reparaturweg (Austausch des Lenkgetriebes) erforderlich ist. Der selbst nicht sachverständige Kläger hat mit der Begutachtung seines beschädigten Pkw einen Sachverständigen beauftragt, auf dessen Fachkunde er vertrauen durfte. Auf Basis der Feststellung des Sachverständigen hat er die Reparatur des Fahrzeuges bei einer Werkstatt in Auftrag gegeben. Die Ausführung der Reparatur erfolgte im vorgegebenen Rahmen.
Dem Kläger steht für die gesamte Zeit der reparaturbedingten Nichtverfügbarkeit seines Kfz Nutzungsausfallentschädigung zu. Diese Zeit begann bereits mit dem Unfall, da ab diesem Moment nach dem unwidersprochenen, auf dem Privatgutachten basierenden Vortrag des Klägers das Kfz zwar fahrbereit, jedoch nicht verkehrssicher war. Ob die Reparaturdauer objektiv zu lang war, ist unerheblich, denn der diesbezügliche zeitliche Ablauf lag nicht in der Hand des Klägers. Die Verzögerung der Reparatur erreichte auch nicht ein derartiges Ausmaß, dass der Kläger gehalten gewesen wäre, aktiv zu werden und darauf hinzuwirken, dass die Werkstatt die Reparatur schneller vorantreibt.
Der Kläger hat auch Anspruch auf Kompensation des an seinem Kfz entstandenen merkantilen Minderwerts. Der geltend gemachte und vom gerichtlichen Sachverständigen festgestellte merkantile Minderwert liegt lediglich bei ca. 1,5 % des geschätzten Wiederbeschaffungswerts. Es handelt sich damit in Anbetracht der zwar auf den ersten Blick geringen Unfallschäden, die aber dennoch zu umfangreichen Reparaturen geführt haben, um eine nachvollziehbare und angemessene Größe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Unfall zu Schäden am Kfz des Klägers geführt hat, die aufgrund des Reparaturaufwandes beim Weiterverkauf offenbarungspflichtig wären. Das LG Köln hat die Sachverständigenkosten in voller Höhe der Beklagten auferlegt, da sie mit ihrem diesbezüglichen Vortrag vollständig unterlegen ist.

Dauer des Nutzungsausfalls: Haftungszusage der Kfz-Haftpflichtversicherung darf abgewartet werden

Das Amtsgericht Hamburg-Harburg hat durch Urteil vom 30.04.2014 – Az.: 648 C 422/13 – entschieden, dass der Geschädigte, der der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des Unfallverursachers mitgeteilt hat, dass er Reparaturkosten nicht vorstrecken könne, abwarten darf, dass diese eine Entscheidung über die Regulierung des Unfallschadens mitteilt. Grundsätzlich ist der Nutzungsausfall nur für den Zeitraum zu ersetzen, der benötigt wird, um das beschädigte Fahrzeug zu reparieren oder zu ersetzen. Da nicht ersichtlich war, dass der Geschädigte seine vorliegende Mittellosigkeit bloß vorgeschoben hat, durfte er aber im vorliegenden Fall auf die Regulierungsentscheidung der Beklagten warten. Zwar war er als Unfallbeteiligter in voller Kenntnis des Unfallhergangs, seine Anwälte konnten auf der Grundlage seiner Sachverhaltskenntnisse auch zutreffend die Rechtslage beurteilen. Jedoch legte die verzögerte Bearbeitung des Falls durch die Kfz-Haftpflichtversicherung nahe, dass es zu Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Ansprüche kommen könnte.

Keine Vorfinanzierungspflicht oder Pflicht zur Kreditaufnahme für den Geschädigten – Dauer und Höhe der Nutzungsausfallentschädigung

Das LG Koblenz hat durch Urteil vom 05.11.2013 – Az: 1 O 256/13 – entschieden, dass der Geschädigte grundsätzlich weder verpflichtet ist, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen, noch gar einen Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen. Eine solche Pflicht kann im Rahmen von § 254 BGB allenfalls dann und auch nur ausnahmsweise angenommen werden, wenn der Geschädigte sich Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird. Für die Möglichkeit und Zumutbarkeit einer derartigen Kreditaufnahme ist dabei primär der Schädiger darlegungspflichtig. Er muss deshalb auch darlegen, dass der Geschädigte in der Lage gewesen wäre, eine geeignete Kreditbesicherung anzubieten, oder dass diese vom Kreditgeber auch akzeptiert worden wäre. 

Das LG Koblenz hat für die Zeit des bisherigen Nutzungsausfalls von 319 Tagen eine Entschädigung mit einem Tagessatz von 23 € zugesprochen, mithin den Mindestbetrag nach Schwacke-Liste und nicht etwaig geringere Vorhaltekosten oder Ähnliches.