Es passiert immer wieder: Drängler nötigen andere Autofahrer, weil sie sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten. Dann wird auch noch nach dem Überholen durch Abbremsen gemaßregelt und der Mittelfinger darf ebenfalls nicht fehlen. Wer glaubt, nicht überführt werden zu können, kann sich irren. Das Gericht kann sich auch auf das Gedächtnistraining der Geschädigten beziehen.

Das musste ein 31-jähriger Kaufmann erfahren, der wegen Nötigung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 € verurteilt wurde. Er erhielt auch ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten. Amtsgerichts München vom 19. Mai 2022 (AZ: 943 Cs 412 Js 158569/21).

Drängeln und Nötigen im Straßenverkehr

Der Angeklagte fuhr im März 2021 mit seinem Audi A5 in München durch einen Tunnel. Die Geschädigte fuhr mit ihrer Tochter in ihrem VW Golf vor ihm. Dabei fuhr der Mann so dicht auf, dass im Rückspiegel Fahrzeugs nicht einmal mehr das Kennzeichen des Audis erkennbar war. Der Angeklagte beabsichtigte damit die Geschädigte dazu bewegen, die Fahrspur zu wechseln oder schneller zu fahren.

Nachdem er sie überholt hatte, scherte er dicht vor ihr wieder ein und bremste sein Fahrzeug ohne Grund fast bis zum Stillstand ab, um die Geschädigte zu maßregeln. Die Geschädigte konnte nur durch starkes Abbremsen ihrerseits einen Unfall verhindern und hupte. Daraufhin zeigte der Angeklagte ihr den Mittelfinger.

In der Verhandlung räumte der Angeklagte ein, dort auch gefahren zu sein. Er sei aber nicht zu schnell gefahren und habe auch nicht überholt. Es sei nichts Außergewöhnliches passiert während der Fahrt. Es müsse sich daher um eine Verwechslung handeln.

Drängler zu Geldstrafe verurteilt

Nachdem die Geschädigte als Zeugin vernommen worden war und ein von ihrer Tochter gefertigtes Foto angeschaut worden war, sah das Gericht die Behauptungen des Angeklagten als widerlegt. Der Mann wurde verurteilt. Dabei stützte sich die Richterin auf die Aussage der Frau, die Fotos und das Gedächtnistraining der Frau. Diese schilderte ruhig und ohne innere Widersprüche, somit glaubhaft, dass sowohl sie als auch ihre Tochter sich das Kennzeichen des Pkws merkten, als dieser nach dem Ausbremsen wieder wegfuhr.

Sie hätten sich auch noch darüber unterhalten und sich das Kennzeichen gegenseitig zur Erinnerung vorgesagt. Übungen zum Merken von Autokennzeichen betrieben Mutter und Tochter nach Aussage oft als eine Art Spiel und Gedächtnistraining. Sie sei sich daher ganz sicher, dass es der Pkw mit dem bei der Polizei benannten Kennzeichen gewesen sei, der sie ausgebremst und beleidigt habe.

Zu ihrem eigenen Erstaunen habe sie und ihre Tochter genau diesen Pkw zufällig danach an einer Ampel wiedergesehen. Dann wurden auch die Fotos gemacht. Diese zeigten deutliche Ähnlichkeiten mit dem Angeklagten. In der Hauptverhandlung hat die Geschädigte den Angeklagten als möglichen Fahrer auch wieder erkannt. Das Gericht überzeugte dabei insbesondere, dass die Zeugin von Beruf Fotografin ist und ersichtlich über einen besonders gutes Menschengedächtnis verfügt und auf Details besonderes Augenmerk setzt.

Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen bei Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter

Das Amtsgericht Dortmund hat durch Urteil vom 21.01.2020 – Az.: 729 Ds 060 Js 513/19-349/19 – entschieden, dass bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem gemieteten E-Scooter nachts zur verkehrsarmen Zeit auf einer Verkehrsfläche ohne jeden Bezug zum fließenden Straßenverkehr und ohne tatsächlich feststellbare oder auch nur abstrakt drohende Beeinträchtigung von Rechtsgütern Dritter durch einen nicht vorbelasteten und geständigen Täter nicht von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgegangen werden kann. § 69 Abs. II Nr. 2 StGB entfaltet ausnahmsweise seine Indizwirkung nicht. Das Amtsgericht Dortmund meint insbesondere auch angesichts fehlender strafrechtlicher Vorbelastungen und des von Reue getragenen Geständnisses des Angeklagten insoweit, dass sich aus der Tatbegehung unter Berücksichtigung aller Umstände der Tat und der Täterpersönlichkeit nicht ein Schluss auf eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ziehen lässt. Vielmehr war das Regelfahrverbot des § 44 Abs. I Satz 3 StGB festzusetzen. Dem Angeklagten wurde verboten, vier Monate Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Bedeutender Fremdschaden liegt ab einem Betrag von 1.600,00 € vor

Das Landgericht Hanau hat durch Beschluss vom 26.03.2019 – 4b Qs 26/19 – entschieden, dass ein bedeutender Fremdschaden nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ab einem Betrag von 1.600,00 € vorliegt. Bei der Interpretation ausfüllungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale wie dem bedeutenden Schaden i.S.d. § 69 Abs. 2 in Nr. 3 StGB kann die allgemeine Geldentwicklung nicht außer Betracht bleiben, sodass bei einem seit dem Jahre 2002 unveränderten Wert nunmehr nach 17 Jahren eine Anpassung vorzunehmen ist. Als belastbarer Anhaltspunkt für die durchschnittliche Preisentwicklung ist nach Auffassung der Kammer des LG Hanau die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes heranzuziehen. Der Wert von 1.300,00 € aus dem Jahr 2002 wäre unter Zugrundelegung einer Preissteigerungsrate von 25,73 % im Vergleichszeitraum auf 1634,49 € gestiegen. Im Interesse der Rechtssicherheit sah die Kammer des LG Hanau eine ausreichende Anpassung der Wertgrenze auf 1600,00 € geboten, um eine wiederholte Anpassung um kleinere Beträge in kürzeren Zeitabständen möglichst zu vermeiden.

Bedeutender Schaden i. S. von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB liegt erst ab mindestens 1.500 € vor

Das LG Offenburg hat durch Beschluss vom 19.06.2017 – Az.: 3 Qs 31/17 – entschieden, dass der für einen bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB maßgebliche Grenzwert ab dem Jahr 2017 auf zumindest 1.500 € festzusetzen ist. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Teuerungsrate für sämtliche Verbrauchsgüter ist es sachgerecht, die Wertgrenze von 1.300 €, die seit dem Jahr 2002 allgemein gelten dürfte, anzuheben. Der Verbraucherpreisindex hat sich vom Jahr 2002 bis zum Jahr 2016 um 21,22 % erhöht. Bei der Bestimmung der konkreten Schadenshöhe ist der Betrag maßgeblich, um den das Vermögen des Geschädigten unmittelbar in Folge des Unfalls gemindert ist. Es dürfen nur solche Schadenspositionen herangezogen werden, die zivilrechtlich erstattungsfähig sind. Zu berücksichtigen sind daher die Reparatur-, Bergungs- und Abschleppkosten sowie der merkantile Minderwert. Die Mehrwertsteuer bezüglich der Reparaturkosten ist hingegen nur dann berücksichtigungsfähig, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen sind. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Geschädigte vorsteuerabzugsberechtigt ist. Nähere Einzelheiten können dem ausführlich begründeten Beschluss entnommen werden.

Auch bei einer BAK von 1,75 ‰ kann die Regelvermutung nach § 69 Abs. 2 StGB entfallen.

Das Landgericht Kaiserslautern hat in seinem Urteil vom 07.04.2014 – Az.: 6070 Js 8485/13 3 Ns – entschieden, dass trotz Vorliegens der Regelvoraussetzungen des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB von der Verhängung der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden kann. Die Frage, ob bei Vorliegen der gesetzlichen Regelvoraussetzungen von der Entziehung der Fahrerlaubnis ermessensfehlerfrei abgesehen werden kann, entzieht sich einer schematischen Beantwortung. Zur Widerlegung der nach dem Gesetz vermuteten Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen kann weder allein auf eine kurze Fahrtstrecke abgestellt werden noch gibt es einen dahinlautenden Rechtssatz, dass bei einer bestimmten Promillezahl des Täters stets die Entziehung der Fahrerlaubnis anzuordnen wäre. Richtig ist, dass die Umstände zur Begründung eines Ausnahmefalls umso gewichtiger sein müssen, je weiter nach oben sich die Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt von der Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit weg bewegt. Im vorliegenden Fall stehen der deutlichen Überschreitung der Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit mit 1,75 ‰ BAK nach Auffassung des Gerichts gewichtige Umstände entgegen, die es ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen, von der Verhängung der Maßregel des Fahrerlaubnisentzugs abzusehen: Der Angeklagte ist Ersttäter und bisher weder im Straßenverkehr noch sonst strafrechtlich auffällig gewesen. Er hat lediglich eine kurze Fahrtstrecke zurückgelegt und die Fahrt nach Erkennen des sich nähernden Fahrzeugs, das der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Polizeifahrzeug identifizieren konnte, freiwillig beendet. Ihm war für einen Zeitraum von über drei Monaten die Fahrerlaubnis bereits vorläufig entzogen worden. Von besonderem Gewicht ist schließlich, dass der Angeklagte nunmehr seit über acht Monaten wieder ohne Beanstandung am Straßenverkehr teilnimmt, dass er glaubhaft seine Alkoholabstinenz in der Hauptverhandlung versichern konnte und an einem anerkannten Nachschulungskurs teilgenommen hat. Damit hat sich der Angeklagte, jedenfalls zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung, nicht mehr als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.

LG Kaiserslautern.pdf

„Ausnahmecharakter“ der Tat oder der Person widerlegt Regelfall des Fahrerlaubnis-Entzugs gem. § 69 Abs. 2. StGB

Bei einer Unfallflucht mit „bedeutendem“ Fremd-Sachschaden i. S. d. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB wird in der Regel die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre (für Ersttäter von 10 Monaten) verhängt. Dabei wird die Fahr-Ungeeignetheit durch die Tatbestandserfüllung indiziert. Gleichwohl kann die Indizwirkung ausnahmsweise durch besondere Umstände der Tat oder der Person des Täters entkräftet werden.

Ein bedeutender Sachschaden i.S. der Vorschrift sei bei 1.300 Euro bis 1.500 Euro anzunehmen. Der Eignungsmangel muss sich stets aus der Tat selbst ergeben. Ausnahmefälle habe die Rspr. jedoch angenommen bei Zettel an der Windschutzscheibe, keine Vorahndungen, fehlgeschlagene tätige Reue, nachträgliche Meldung bei der Polizei, freiwilliges Sich-Stellen oder Rückkehr an den Unfallort nach 20 Minuten. Jüngst habe das LG Aurich (Beschl. v. 06.07.2012, NStZ 2012, 349) eine Meldung 40 Minuten nach Anzeigeerstattung des Unfalls noch anerkannt; das OLG Köln (Beschl. v. 01.03.2013, Az.: III-1 RVs 36/13, DAR 2013, 393) sogar bei Unfallflucht mit vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt (erstmalige Tat); dem LG Dortmund (Urt. v. 21.09.2012, 45 Ns-206 Js 2293/11-173/12) reichten besondere Unstände in der Person (fortgeschrittenes Alter, verantwortungsbewusster Mensch) aus. Verteidiger sollten daher entsprechende Beweisanträge stellen. Zu differenzieren sei bei der vorläufigen Entziehung nach § 111a StPOzwischen dem erforderlichen dringenden Tatverdacht und nur hinreichendem, bei dem die vorläufige Entziehung aufzuheben sei. Bei einem § 111a-Beschluss des Amtsgerichts könnte die Beschwerde gem. § 304 StPO wegen der „Tat mit Ausnahmecharakter“ begründet werden.

Absehen von Entziehung der Fahrerlaubnis trotz einer BAK von 1,43 ‰ zum Tatzeitpunkt

Das Amtsgericht Langen (Hessen) hat in seinem Urteil vom 23. Januar 2014 – Az: 31 Cs-1400 Js 29594/13 – von einer Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB abgesehen, obwohl der Täter zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration von 1,43 ‰ hatte. Zwar liegt ein Regelfall des § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB vor, jedoch lagen zur Tatzeit besondere Umstände vor, die die Vermutung mangelnder Eignung zum Tatzeitpunkt widerlegen. Der Angeklagte nahm langjährig am Straßenverkehr unbeanstandet teil. An dem Tattag war er in einer schwierigen emotionalen Lage, da er erfahren hatte, dass seine langjährige Lebensgefährtin unter schwerwiegendem Speiseröhrenkrebs litt und keine lange Lebenserwartung haben würde.
Allerdings war dem Angeklagten ein Fahrverbot von 3 Monaten gemäß § 44 StGB zu verhängen, da er eine nicht unerhebliche Straftat als Führer eines Kraftfahrzeugs begangen hat, die eine derartige Einwirkung, auch als Besinnungsmaßnahme, zwingend geboten erscheinen lässt. 

Keine endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis trotz einer BAK von 2,33 Promille

Das AG Frankfurt/Main hat durch Urteil vom 23.10.2013 – 902 Ds-332 Js
19448/13 – entschieden, dass ausnahmsweise auch bei einer BAK von 2,33 ‰ von der Entziehung der Fahrerlaubnis nebst Sperranordnung gemäß §§ 69, 69a StGB abgesehen werden kann. Das AG Frankfurt/Main hat den Angeklagten u.a. deswegen nicht als grundsätzlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen, weil er trotz 40-jähriger Tätigkeit als Berufskraftfahrer bisher in keiner Weise wegen Verkehrsverstößen in Erscheinung getreten ist und nicht beabsichtigte, nach dem Alkoholgenuss noch zu fahren. Außerdem beschränkte sich die Tat auf ein Bewegen des LKW um wenige Meter auf einem Parkplatz. Schließlich hat der Angeklagte das Unrecht seiner Tat nicht nur eingesehen, sondern sich aus freien Stücken aktiv mit dieser auseinander gesetzt. Er besucht seit mehreren Monaten eine Gesprächstherapie und unterzieht sich freiwilliger Abstinenzkontrollen.