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Nach einem Verkehrsunfall hat man die Möglichkeit, den Schaden auch fiktiv abzurechnen. Es kommt aber nicht darauf an, ob man das Fahrzeug ersetzt oder reparieren lässt. Geschädigte haben hier ein Wahlrecht.

Bei der fiktiven Schadensabrechnung dürfen die gegnerischen Versicherungen keine Rabatte oder Sonderkondition beim Neuwagenkauf abziehen. Der fiktive Schadensersatz richtet sich allein nach dem Wiederbeschaffungswert des Unfallfahrzeugs am freien Markt. Bei der fiktiven Abrechnung muss der Wiederbeschaffungswert ersetzt werden, auch wenn dieser über den Wert eines Neuwagens mit Rabatt liegt. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über ein Urteil des Amtsgerichts Amberg vom 5. Februar 2021 (AZ: 2 C 694/20).

Fiktive Schadensabrechnung nach Verkehrsunfall

In dem Fall ging es um den restlichen Schaden aus einem Verkehrsunfall. Dass der Beklagte haften musste, war unstrittig. Das Fahrzeug der Klägerin wurde stark beschädigt. Sie betreibt eine Autovermietung.

Die Versicherung des Geschädigten regulierte nur einen Teil des Schadens. Sie wandte ein, dass die Klägerin als Autovermietung Sonderkonditionen beim Neuwagenkauf erhalte. Diese müsste sie sich anrechnen lassen. Dieser Anschaffungspreis sei auch schon niedriger als der Wiederbeschaffungswert.

Neuwagen Rabatt darf nicht vom Schadensersatz abgezogen werden.

Bei der fiktiven Abrechnung komme es allein auf den Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs auf dem freien Markt an. Und zwar unabhängig von der Frage ob, der Geschädigte Sonderkonditionen beim Neuwagenkauf erhält, betonte das Gericht. Dies folge allein schon dem Umstand, dass es für die fiktive Abrechnung ein Wahlrecht gibt, ob eine Ersatzbeschaffung vorgenommen wird oder nicht. Geschädigte können das reparieren lassen, ein Fahrzeug kaufen oder auf Grundlage des Gutachtens abrechnen.

Erhält man Sonderkondition beim Neuwagenkauf, wird dieser Rabatt beim späteren Verkauf des Gebrauchtwagens nicht berücksichtigt. Dieser wirtschaftliche Vorteil ginge verloren, wenn der Rabatt bei der fiktiven Abrechnung berücksichtigt werden würde. Dies sei aber unzulässig.

Kein Verweis auf kostengünstigere Reparaturmöglichkeit in einer anderen freien Werkstatt bei fiktiver Abrechnung

Das AG Dorsten kommt in seinem Urteil vom 19.09.2017 – Az.: 3 C 94/17 – zu dem Ergebnis, dass der Geschädigte, der der Reparaturkalkulation bei fiktiver Abrechnung durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Werkstatt zugrunde legt, sich nicht von der Versicherung auf eine kostengünstigere Reparaturmöglichkeit in einer anderen freien Werkstatt verweisen lassen muss. Der Geschädigte hat nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Er muss sich nicht auf die günstigsten erzielbaren Preise verweisen lassen, da bereits durchschnittliche Stundenverrechnungssätze einer freien Fachwerkstatt kalkuliert wurden. Ein Verweis auf eine kostengünstigere Reparaturmöglichkeit in einer anderen freien Werkstatt würde die Dispositionsfreiheit des Geschädigten in unzulässiger Weise einschränken.

Netto-Wiederbeschaffungswert bei fiktiver Schadensabrechnung auf Totalschadenbasis

Das LG München I kommt in seinem Urteil vom 25.10.2016 – Az.: 17 O 4196/16 – zu dem Ergebnis, dass bei fiktiver Abrechnung der Ersatzbeschaffung die Ersatzfähigkeit des Brutto-Wiederbeschaffungsaufwandes nicht gegeben ist, sondern nur der Nettobetrag des Wiederbeschaffungswerts (nach dem Sachverständigengutachten) zu ersetzen ist. Der Restwert der geschädigten Sache ist bei fiktiver Abrechnung auf Gutachtenbasis steuerneutral, wenn der Geschädigte nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist und deshalb keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt werden muss. Das Gericht geht im Streitfall davon aus, dass der Kläger als im Bereich der Immobilienvermietung in Form eigener Vermögensverwaltung Tätiger nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist. Für die Vorsteuerabzugsberechtigung des Geschädigten ist grundsätzlich der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig.

Sobald indes eine Ersatzbeschaffung erfolgt, kann der Geschädigte die insoweit angefallene Umsatzsteuer grundsätzlich gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB ersetzt verlangen, unabhängig davon, ob der Regelsteuersatz oder die Differenzbesteuerung Anwendung findet. Erwirbt der Geschädigte ein höherwertiges Ersatzfahrzeug, kann er, wenn dessen Nettopreis über dem im Gutachten ausgewiesenen Netto-Wiederbeschaffungswert liegt, nicht mehr verlangen, als das Gutachten als Brutto-Wiederbeschaffungswert ausweist. Die Umsatzsteuer ist nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB nur zu ersetzen, soweit sie bei erforderlicher Naturalrestitution anfällt, mithin nach dem Netto-Wiederbeschaffungswert im Sachverständigengutachten zu ermitteln.