Haftungsverteilung bei Kollision zwischen einem Linksabbieger und einem Überholer/Dauer der Nutzungsausfallentschädigung/Erstattung der Anwaltskosten
Das Landgericht Gera vertritt in seinem Urteil vom 28.06.2013 – 1 S 232/12 – die Auffassung, dass dann, wenn es im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Linksabbiegen zu einer Kollision mit einem links überholenden Fahrzeug kommt, der Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass der Linksabbieger seine Sorgfaltspflicht aus § 9 Abs. 1 StVO verletzt hat. Das LG Gera verneint die Mithaftung des überholenden Fahrzeugs, da keine unklare Verkehrslage im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO vorliegt, denn allein die Tatsache, dass der Linksabbieger seine Geschwindigkeit verlangsamte, reicht für die Annahme einer unklaren Verkehrslage nicht aus. Der Anspruch auf Nutzungsausfall beschränkt sich grundsätzlich auf die für die Reparatur notwendige Zeit, d.h. auf die tatsächliche und objektiv erforderliche Ausfallzeit. Allerdings ist dem Geschädigten auch eine Prüfungs- und Überlegungszeit zuzubilligen. Im konkreten Fall war eine Überlegungszeit, da sich der Geschädigte bereits ohne Vorlage des Gutachtens für die Reparatur entschlossen hatte, nicht einzustellen, aber ihm war Zeit einzuräumen, um notwendige Dispositionen zu treffen. Hierbei ist eine Dispositionszeit von drei Tagen nach Auffassung des LG Gera nicht zu beanstanden.
Die Kosten für die anwaltliche Inanspruchnahme der Kasko-Versicherung sind als erstattungsfähiger Schaden zu berücksichtigen. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war. Nach Auffassung des LG Gera bestand die Notwendigkeit der anwaltlichen Hilfe im vorliegenden Fall erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die Kaskoversicherung sich auf ein Verweisungsverzichtsabkommen mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung berufen hat.