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Unzulässige Hilfsaufrechnung mit etwaigen Vorschäden, Ersatz der Verbringungskosten und der Fahrzeugwäsche

Das Amtsgericht Coburg hat durch Urteil vom 28.10.2019 – Az.: 15 C1423/19 – entschieden, dass die Verbringungskosten in voller Höhe zu erstatten sind. Die beklagte Versicherung darf nicht ohne nähere Begründung und unabhängig von unterschiedlichen örtlichen Kostenstrukturen mit einem Nettobetrag von 80 € regulieren. Auch die Kosten für die Autowäsche sind zu ersetzen, da es sich erschließt, dass das Fahrzeug vor dem Lackiervorgang gewaschen werden muss. Die hilfsweise Aufrechnung mit etwaigen Vorschäden stellt sich nach Ansicht des Gerichts als widersprüchliches Verhalten und unzulässige Rechtsausübung nach dem Rechtsgrundsatz venire contra factum proprium dar. Die Hilfsaufrechnung ist zu unbestimmt. Die Beklagte erwähnt nicht, welche betragsmäßige Höhe ihr zustehen soll. Der bloße Umstand, in der Beschreibung im Gutachten „Gebrauchsspuren, vereinzelt Lackmängel“ zu lesen, genügt nicht, um von bezifferbaren und notwendigerweise zu behebenden Vorschäden ausgehen zu können.

Höhe des Minderwerts bei repariertem Vorschaden

Das AG Michelstadt hat in seinem Urteil vom 20. September 2016 den Minderwert in Höhe von 400 € nach dem Durchschnitt der üblichen Berechnungsmethoden ermittelt. Das Fahrzeug hatte einen reparierten Wildschaden erlitten, bei dem lediglich geschraubte Teile erneuert worden waren. Nach der DAT-Datenbank hatte das Fahrzeug zum Stichtag des Vertragsschlusses einen durchschnittlichen Händlerkaufpreis von 26.950,00 € brutto. Unter Berücksichtigung des guten Erhaltungs- und Pflegezustandes und möglicherweise der regionalen Marktlage hielt der Sachverständige den um 7 % über dem Durchschnittswert liegenden Kaufpreis, auf den sich die Parteien geeinigt hatten, für nachvollziehbar und nicht unüblich. Sodann hat der Sachverständige nach den verschiedenen gängigen Methoden die Wertminderung ermittelt. Die Methode Schlund konnte nicht angewandt werden, da diese ausschließlich erhebliche Reparaturarbeiten, wie Schweiß- und Richtarbeiten, berücksichtigt, die zur Behebung des Wildschadens ausweislich der Reparaturrechnung nicht erforderlich waren. Nach der Methode Ruhkopf-Sahm, bei der der Wiederbeschaffungswert ins Verhältnis zu den zu erwartenden Reparaturkosten gesetzt wird, wurde ein Wertminderungsbetrag von 661,00 € berechnet. Nach der Methode Halbgewachs, bei der ein Faktor aus Ersatzteilkosten und Lohnkosten gebildet wird, ergab sich eine Wertminderung von 165,00 €.

Nach der Methode des BVSK, die sich ausschließlich auf den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs bezieht und ansonsten aus einem technischen Blickwinkel die auszuführenden Reparaturarbeiten betrachtet, ergab sich eine Wertminderung von 288,00 €. Schließlich hat der Sachverständige ausgeführt, Fahrzeuge wie das der Klägerin seien problemlos veräußerbar, da bei dem Wildschaden lediglich geschraubte Teile erneuert worden seien und ein weiterer Einfluss des Unfalls auf das Fahrzeug nicht vorgelegen habe. Ein Abschlag von mehr als 1-2 % des Angebotspreises sei wegen solch eines Vorschadens seiner Erfahrung nach nicht üblich. Eine Wertminderung von 400 € sei deswegen nachvollziehbar und angemessen.
Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerin waren nur aus einem Gegenstandswert von 400 € zu ersetzen.

Nachweis der Schadensfreiheit vor dem Unfall

Das AG Aalen vertritt in seinem Urteil vom 14. Januar 2014 – Az.: 8 C 461/12 – die Auffassung, dass dann, wenn der Geschädigte hinreichend, z.B. durch Zeugenaussagen, nachgewiesen hat, dass sein Fahrzeug vor dem streitgegenständlichen Unfall keinen Vorschaden hatte, die Formulierung des Erstgutachters, Vorschäden seien nicht bekannt, nicht vermag, das Gericht in seiner Überzeugung von der Schadensfreiheit vor dem streitgegenständlichen Unfall zu erschüttern. Vernünftige Zweifel an der Schadensfreiheit ergeben sich nach Ansicht des AG Aalen aus diesen mehr oder weniger standardmäßigen Vorformulierungen im Rahmen des Gutachtens nicht. Aus der Formulierung „keine bekannt“ lässt sich jedenfalls nicht herleiten, dass begründete Zweifel an der Schadensfreiheit vor dem streitgegenständlichen Unfall bestehen. Es handelt sich vielmehr um eine Standardformulierung, die für sich allein keine Schlüsse dahingehend ziehen lässt, dass von Vorschäden auszugehen wäre. Dies gilt umso mehr, als die vom Geschädigten vorgebrachten Zeugenaussagen bestätigen, dass ein solcher Vorschaden gerade nicht bestand.