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Haftung bei Kreuzungsräumunfall/kein Abzug des Unternehmergewinns bei Reparatur in eigener Werkstatt/Ersatz von Mietwagenkosten

Das LG Düsseldorf hat durch Urteil vom 13.12.2016 – Az.: 14e O 139/14 – entschieden, dass die Beklagte den Nachweis, dass sie als sog. echte Nachzüglerin den Kreuzungsbereich vorrangig vor dem Querverkehr verlassen durfte, nicht erbracht hat. Sie befand sich nicht im eigentlichen Kreuzungskern, als der Querverkehr durch die Lichtzeichenanlage freie Fahrt erhalten hat. Als außerhalb des Kreuzungskerns befindliche sog. unechte Nachzüglerin war die Beklagte gegenüber dem Querverkehr wartepflichtig. Sie musste auch bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt damit rechnen, dass die Lichtzeichenanlage für den Querverkehr zwischenzeitlich auf Grünlicht geschaltet hat. Da auf Seiten der Klägerin lediglich die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs zu berücksichtigen war, ergibt sich bei Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge eine Haftung der Beklagten mit einer Quote von 100 %. Die Klägerin durfte darauf vertrauen, dass sie gefahrlos bei grüner Lichtzeichenanlage die Kreuzung passieren kann. Sie musste grundsätzlich nicht damit rechnen, dass andere Fahrzeuge in unerlaubter Weise von der Seite her in die Kreuzung einfahren.

Die Reparatur wurde in der eigenen Werkstatt der Klägerin durchgeführt. Ein Abzug des Unternehmergewinns in Höhe von 15 % ist nicht vorzunehmen. Ein Geschädigter, der selbst gewerbsmäßig mit der Instandsetzung von Kraftfahrzeugen befasst ist und eine eigene Kraftfahrzeugwerkstatt betreibt, kann die Reparatur seines beschädigten Fahrzeugs in voller Höhe ersetzt verlangen. Er darf nicht schlechter gestellt werden als ein Geschädigter, der diese Möglichkeit nicht hat. Es ist ihm auch nicht zuzumuten, besondere eigene Anstrengungen zu unternehmen, wenn der Lohn dieser Anstrengungen lediglich dem Schädiger zu Gute kommt. Soweit die Beklagten behaupten, die klägerische Werkstatt sei zum Zeitpunkt der Reparatur nicht voll ausgelastet gewesen, ist dieser Vortrag als spekulative Behauptung ins Blaue hinein unbeachtlich.

Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten. Auch wenn ein gewerblich genutztes Kraftfahrzeug ausfällt, kann der Geschädigte zu Lasten des Schädigers ein Ersatzkraftfahrzeug anmieten. Die Anmietung des Ersatzfahrzeugs durch die Klägerin war auch geboten. Als Autohaus nutzt sie ihre Vorführwagen für gewöhnlich zu Präsentationszwecken und für Probefahrten, um diese langfristig an Kunden zu veräußern. Dass die Klägerin das Ersatzfahrzeug nicht selbst, etwa durch eigene Angestellte, genutzt hat, sondern es unmittelbar an einen Dritten übergeben hat mit der Begründung, diesen mobil halten zu wollen, steht ihrem Nutzungswillen nicht entgegen. Vorführwagen eines Autohauses werden für gewöhnlich durch Dritte, nämlich (potenzielle) Kunden, gebraucht.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Haftung in Höhe von 100 % bei Verstoß gegen § 8 StVO bei Verlassen einer Einfahrt

Das Amtsgericht Schwarzenbek kommt in seinem Urteil vom 13.06.2016 – 2 C 741/15 – zu dem Ergebnis, dass ein Fahrzeugführer, der bei Verlassen seiner Ausfahrt gegen § 8 StVO verstößt, zu 100 % haftet. Im vorliegenden Fall konnte der Beklagte nicht zur Überzeugung des Gerichts ausführen, dass er sich beim Verlassen seiner Einfahrt so verhalten hat, dass die Gefährdung des Klägers als Vorfahrtsberechtigtem ausgeschlossen war. Vielmehr hat der Beklagte durch seine Fahrweise den Kläger zu einer Vollbremsung und einem anschließenden Ausweichmanöver gezwungen, um einen Zusammenstoß mit seinem Fahrzeug zu vermeiden. Aufgrund der Verletzung dieser Kardinalpflicht aus § 8 StVO konnte und musste die von dem Fahrzeug des Klägers ausgehende Betriebsgefahr unberücksichtigt bleiben, so dass der Beklagte grundsätzlich zu 100 % haftet.

Sturz des Fahrgastes in der Strassenbahn beim Abbremsen – Schmerzensgeld?

Wie sieht es mit Schmerzensgeld aus, wenn ein Fahrgast auf Grund abrupten Abbremsen in der Strassenbahn stürzt? Das Oberlandesgericht Dresden (7 U 1506/13) hat die bisherige Rechtssprechung zu dem Thema auf den Punkt gebracht: Ausgeschlossen ist es nicht. Aber ausgesprochen schwierig. Aus der Entscheidung: 

Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, muss ein Fahrgast einer Straßenbahn damit rechnen, dass – außerhalb von Fahrfehlern – bei der Fahrt ruckartige Bewegungen des Verkehrsmittels auftreten können, die seine Standsicherheit beeinträchtigen. Er ist deshalb selbst dafür verantwortlich, dass er durch typische und zu erwartende Bewegungen einer Straßenbahn oder eines Linienbusses nicht zu Fall kommt und muss sich Halt auch gegen plötzliche Bewegungen der Straßenbahn verschaffen (vgl. OLG Dresden, Urt. v. 05.04.1995 – 12 U 63/95, juris; OLG Dresden, Urt. v. 21.02.2006 – 13 U 2195/05, juris; vgl. auch LG Dresden, Urt. v. 12.05.2010 – 4 O 3263/09, NZV 2011, 202). Der Fahrgast muss in diesem Zusammenhang durchaus auch jederzeit mit einem scharfen Bremsen des Verkehrsmittels rechnen (vgl. nur KG, Urt. v. 01.03.2010 –12 U 95/09MDR 2010, 1111). Dies gilt, wie der Senat aus eigener Erfahrung weiß, vor allem an Haltestellenbereichen von Großstädten, an denen es oftmals Verstöße gegen § 25 StVO gibt, auf die der Straßenbahnfahrer dann sofort, u.U. auch mit einer Notbremsung reagieren muss. Regelmäßig kann dem der Fahrgast, der mit einem solchen Manöver rechnen muss, dadurch begegnen, dass er sich sicheren Halt verschafft, soweit er nicht ohnehin einen Sitzplatz eingenommen hat. Deshalb neigt der Senat der Auffassung zu, dass in derlei Fällen regelmäßig davon auszugehen ist, dass der Beweis des ersten Anscheins für die Annahme spricht, dass der Sturz eines Fahrgastes auf mangelnde Vorsicht zurückzuführen ist (vgl. nur KG, Urt. v. 07.05.2012 –22 U 251/11, juris; einschränkend: BGH, Urt. v. 11.05.1976 –VI ZR 170/74VersR 1976, 932). […]

Es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb die Klägerin sich im konkreten Fall etwa veranlasst sehen musste, bereits 5 Sekunden vor Erreichen der Haltestelle ihren sicheren Sitzplatz aufzugeben ohne sich ausreichend abzusichern. Bereits nach den Feststellungen des Landgerichts, die die Berufung als solche auch nicht angreift, hat die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt sich nicht angemessen festgehalten, um so auch auf ein plötzliches Abbremsen reagieren zu können. Vielmehr war sie kurz vor dem Unfall dem Sitz zugewandt und abgelenkt. […]

Es ist in erster Linie der Fahrgast, der sich selbst darüber Klarheit verschaffen muss, ob er in der Lage ist, die regelmäßig bei Straßenbahnfahrten auftretenden Kräfte zu meistern oder nicht. In besonders gelagerten Einzelfällen liegt es deshalb u.U. nahe fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen. Davon ist aber mangels konkreten Vortrags der Klägerin zu unfallmitkausalen Beeinträchtigungen hier schon nicht auszugehen. Hinzu kommt, dass es der Klägerin dann jedenfalls erst recht zuzumuten gewesen wäre, bis zum sicheren Stillstand der Straßenbahn zu warten, bevor sie aufsteht. Dem Senat ist bekannt, dass zwischen dem sicheren Halt der Straßenbahn und dem Öffnen der Türen regelmäßig noch so viel Zeit verstreicht, dass es, von besonders gelagerten, hier aber nicht einschlägigen Situationen abgesehen, bei sachgerechter Platzwahl durchaus möglich ist, auch dann noch ohne größere Probleme auszusteigen.