Inwieweit Videoaufnahmen in einem Unfallprozess zugelassen und somit verwertbar sind, wird unterschiedlich bewertet. Gerade, wenn es sich um Filme durch Dritte handelt. Der Datenschutz muss ebenfalls berücksichtigt werden
Aber die Aufzeichnungen einer Webcam eines Dritten können als Beweismittel anerkannt werden, selbst wenn ein Unfallbeteiligter der Verwertung widerspricht. Damit soll eine „Beweisnot“ vermieden und die Haftung geklärt werden. Dies entschied das Oberlandesgericht Saarbrücken am 13. Oktober 2022 (AZ: 4 U 111/21), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.
Komplizierter Verkehrsunfall im Kreisverkehr
In dem Fall waren ein BMW Cabrio und ein Ford Ka in einem engen Kreisverkehr miteinander kollidiert. In dem Verfahren ließ sich zunächst nicht klären, wann die beiden Fahrzeuge in das Rondell eingefahren waren und wie sich demzufolge die Haftung verteilt. Direkt am Kreisverkehr hatte eine Firma ihren Unternehmenssitz, deren Webcam hatte den Unfall aufgezeichnet. Das Gericht ließ den Mitschnitt in dem Verfahren zu, obwohl sich einer der Verfahrensbeteiligten dagegen wehrte.
Beweisnot: Webcam-Aufnahmen können verwertet werden
Das Gericht ließ die Aufnahmen als Beweismittel zu. Es verurteilte den Fahrer aus der weiter links liegenden Einmündung dazu, zwei Drittel des Schadens zu tragen.
Zum einen entschied das Gericht, dass die Aufzeichnungen der Webcam als Beweismittel zulässig sind. Dies gilt auch dann, wenn ein Unfallbeteiligter der Verwertung widerspricht. Dabei wurde vom Gericht auch berücksichtigt, dass die Aufnahmen zwar in die Sozialsphäre der Beteiligten eingreifen. Allerdings wären die Schnelligkeit des Verkehrs und die Beweisnot des Unfallgegners höher zu gewichten als das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Das Gericht stellte fest, dass durch die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine gewisse Einbuße an Privatheit hingenommen werden muss.
Bei der Auswertung der Videos durch das Gericht wurde festgestellt, dass beide Autos nahezu zeitgleich in den Kreisverkehr eingefahren waren. Es konnte aber nicht völlig eindeutig geklärt werden, welches Fahrzeug zuerst fuhr. Aufgrund dieser Umstände entschied das Gericht, dass eine Haftungsteilung von zwei Dritteln zu Lasten des von links kommenden Fahrers gerechtfertigt war. Er hatte versucht, das andere Fahrzeug mit einer unangemessenen Geschwindigkeit zu überholen und dabei die Mittelinsel des Kreisverkehrs „geschnitten“.