Haftungsverteilung bei Schaden durch liegengebliebene Reifenteile/Sichtfahrgebot
Das AG Arnstadt vertritt in seinem Urteil vom 17.06.2015 – Az.: 22 C 276/14 – die Auffassung, dass eine Reifenkarkasse, die sich während der Fahrt vom Fahrzeug löst und zum Hindernis für den nachfolgenden Verkehr wird, eine typische von einem Kfz ausgehende Gefahr darstellt. Der Unfall war im vorliegenden Fall kein unabwendbares Ereignis, so dass gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge vorzunehmen war. Das AG Arnstadt geht aufgrund von Zeugenaussagen davon aus, dass das Reifenteil bei den vorherrschenden Sichtverhältnissen relativ schwer erkennbar war. Mit einem solchen schwer zu erkennenden Hindernis muss ein Kfz-Fahrer nicht rechnen. Grundsätzlich darf ein Kraftfahrer bei Dunkelheit auch auf Autobahnen nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke halten kann. Das Sichtfahrgebot gilt aber auch auf Autobahnen nicht für solche Hindernisse, die erst außergewöhnlich spät sichtbar werden. Der BGH hat für ein auf der Autobahn liegendes Reserverad einen Verstoß gegen das Sichtfahrgebot abgelehnt. Da eine Reifenkarkasse nur der Teil eines Rades und deshalb noch schwerer zu erkennen ist, ist dem Fahrer auch hier kein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot vorzuwerfen.
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