Keine Vorfinanzierungspflicht oder Pflicht zur Kreditaufnahme für den Geschädigten – Dauer und Höhe der Nutzungsausfallentschädigung

Das LG Koblenz hat durch Urteil vom 05.11.2013 – Az: 1 O 256/13 – entschieden, dass der Geschädigte grundsätzlich weder verpflichtet ist, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen, noch gar einen Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen. Eine solche Pflicht kann im Rahmen von § 254 BGB allenfalls dann und auch nur ausnahmsweise angenommen werden, wenn der Geschädigte sich Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird. Für die Möglichkeit und Zumutbarkeit einer derartigen Kreditaufnahme ist dabei primär der Schädiger darlegungspflichtig. Er muss deshalb auch darlegen, dass der Geschädigte in der Lage gewesen wäre, eine geeignete Kreditbesicherung anzubieten, oder dass diese vom Kreditgeber auch akzeptiert worden wäre. 

Das LG Koblenz hat für die Zeit des bisherigen Nutzungsausfalls von 319 Tagen eine Entschädigung mit einem Tagessatz von 23 € zugesprochen, mithin den Mindestbetrag nach Schwacke-Liste und nicht etwaig geringere Vorhaltekosten oder Ähnliches. 

Nochmals: Geschädigter muss der gegnerischen Haftpflichtversicherung nicht die Möglichkeit einräumen, Restwertangebote einzuholen

Auch das Amtsgericht Hamburg-St. Georg schließt sich in seiner Entscheidung vom 05.12.2013 – Az: 915 C 397/13 – nicht der Rechtsprechung des OLG Köln an. Es ist vielmehr der Ansicht, dass der Geschädigte nur unter besonderen Umständen gehalten ist, eine sich bietende günstigere Verwertungsmöglichkeit wahrzunehmen, statt sein Fahrzeug zum im Gutachten ermittelten Restwert zu veräußern. Ihm kann nicht auferlegt werden, (stets) abzuwarten bis der Schädiger bzw. dessen Versicherung den Restwert geprüft und weitere Angebote eingeholt hat.
Denn hierdurch würde ihm das Risiko aufgebürdet, durch den Zeitablauf, der durch die Prüfung seitens des Schädigers bzw. der Versicherung entsteht, die Möglichkeit der Realisierung des Restwerts zu den vom Sachverständigen ermittelten Bedingungen zu verlieren. Eine Pflicht zur Annahme des günstigeren und zumutbaren Verwertungsangebots, das der Schädiger bzw. seine Versicherung eingeholt hat, kann daher nach Ansicht des Gerichts grundsätzlich nur bestehen, wenn dieses dem Geschädigten bereits vor der Veräußerung vorliegt.

Geschädigter muss der gegnerischen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung keine Gelegenheit geben, selber Restwertangebote einzuholen

Das Amtsgericht Neuburg a.d. Donau vertritt in seinem Urteil vom
18.12.2013 – Az.: 3 C 412/13 – die Auffassung, dass der Geschädigte der Schadensberechnung den Restwert zugrunde legen darf, den er durch den Verkauf des Fahrzeugs tatsächlich erzielt hat. Er muss sich im Rahmen der Schadensminderungspflicht nicht den (höheren) Restwert nach dem Restwertangebot der Versicherung des Schädigers anrechnen lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liegt im vorliegenden Fall nach Auffassung des AG Neuburg a.d. Donau nicht vor, da die Versicherung das Restwertangebot erst unterbreitet hat, als der Geschädigte sein Fahrzeug bereits veräußert hatte. Der Geschädigte ist nicht gehalten, nach Erhalt des Schadensgutachtens und Übersendung desselben an die gegnerische Versicherung eine gewisse Zeit abzuwarten, ob diese ihm eventuell noch ein anderes Restwertangebot unterbreitet. Das AG Neuburg a.d. Donau folgt der Rechtsprechung des OLG Köln (Beschluss vom
16.07.2012 – 13 U 80/12, NJW-RR 2013, S.224 f.)  nicht, da diese im Ergebnis darauf hinauslaufen würde, dass dem Geschädigten letztlich doch die von der Haftpflichtversicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten aufgezwungen werden.

Nutzungswillen bei der Anmietung eines Mietwagens

Das AG Hamburg-Harburg hat durch Urteil vom 30.12.2013 – Az: 650 C
128/13 – entschieden, dass allein der Umstand, dass der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug anmietet, zeigt, dass Nutzungswille bestand. Der Einwand, der Geschädigte habe schon mit Rücksicht auf den viermonatigen Wiederbeschaffungszeitraum keinen Nutzungswillen gehabt, hat keinen Erfolg. Dem Geschädigten kann auch, obwohl er nur 24 km pro Tag gefahren ist, nicht vorgeworfen werden, seine Schadensminderungspflicht missachtet zu haben.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Rechtsanwaltskosten, die durch das Anfordern der Bußgeldakte entstehen, sind erstattungsfähig

Nach dem Urteil des AG Hamburg-St. Georg – Az: 914 C 69/13 vom
05.11.2013 – ist in Verkehrsunfallsachen die Vertretung durch einen Rechtsanwalt regelmäßig erforderlich, jedenfalls sofern der Geschädigte nicht selbst über Spezialkenntnisse hinsichtlich der Haftungsverteilung und der einzelnen Schadensersatzpositionen, die er beanspruchen könnte, verfügt. Zu den erforderlichen Kosten der Rechtsverfolgung gehören in Verkehrsunfallsachen regelmäßig auch die Kosten, die durch das Anfordern der Bußgeldakte entstehen, denn die rechtliche Bewertung des Gesamtgeschehens durch den Rechtsanwalt, die für die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche erforderlich ist, setzt die Einsichtnahme in die Bußgeldakte standardmäßig voraus. Dies gilt selbst dann, wenn die Schuldfrage zwischen den Unfallbeteiligten unmittelbar nach dem Unfall grundsätzlich zunächst unstreitig ist. Denn die Erfahrung mit Verkehrsunfällen in der Praxis zeigt, dass dies dennoch nicht zwangsläufig zu einer sofortigen Regulierung der Schäden in voller Höhe durch den Haftpflichtversicherer des Schädigers führt, zumal die Unfallbeteiligten in aller Regel die Rechtsprechung zu den Haftungsquoten und einem etwaigen Mitverschulden bzw. einer Mitverursachung nicht kennen.

Geschädigter muss kein höheres Restwertangebot des Schädigers abwarten/Schätzung des „Normaltarifs“ auf der Grundlage des arithmetischen Mittelwerts zwischen Schwacke-Mietpreisspiegel und Fraunhofer-Liste

Das Amtsgericht Pforzheim hat durch Urteil vom 27.03.2014 – Az: 13 C
21/14 – entschieden, dass der Geschädigte nicht gegen seine Schadensminderungspflichten verstößt, wenn er kurze Zeit nach der Übersendung des Sachverständigengutachtens sein Fahrzeug veräußert. Da ihn als Geschädigten keine Verpflichtung trifft, dem Schädiger oder dessen Versicherung das Gutachten mit Restwertschätzung zu übermitteln, kann ihn erst recht keine Pflicht treffen, nach Übermittlung des Gutachtens einen bestimmten Zeitrahmen abzuwarten, bis er auf Grundlage des Sachverständigengutachtens sein Fahrzeug verkauft, und dem Schädiger somit Gelegenheit zu geben, ein höheres Restwertangebot vorzulegen.

Das AG Pforzheim schätzt unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des OLG Karlsruhe den als „Normaltarif“ bezeichneten Mietpreis auf der Grundlage des arithmetischen Mittelwertes zwischen dem Wert des Schwacke-Mietpreisspiegels und dem Marktpreisspiegel des Fraunhofer-Instituts. Diese Methode erscheint nach derzeitigem Erkenntnisstand am ehesten geeignet, die in Rechtsprechung und Literatur im Einzelnen aufgezeigten Mängel, die beiden Listen innewohnen, auszugleichen und so zu einem der tatsächlichen Anmietsituation eines „Normalkunden“ am ehesten vergleichbaren Ergebnis zu kommen. Sowohl die Schwacke-Liste als auch die Fraunhofer-Liste weisen Mängel auf, die es weniger sachgerecht erscheinen lassen, ausschließlich eine der beiden Listen als Schätzungsgrundlage heranzuziehen.

Ersatz von Dolmetscherkosten

Das Amtsgericht Freudenstadt kommt in seinem Urteil vom 20.03.2014 –
Az: 4 C 479/13 – zu dem Ergebnis, dass die Kosten für die Übersetzung der Schilderung eines ausländischen Fahrers in die deutsche Sprache, um die im deutschen Sprachraum erfolgende Unfallabwicklung durchführen zu können, als Kosten der Rechtsverfolgung vom Schädiger zu erstatten sind.
Sie sind für eine ordnungsgemäße Rechtsverfolgung erforderlich. Damit der Anwalt seine Arbeit sachgerecht erledigen konnte, war die Übersetzung der Aussage des polnischen Fahrers notwendig.

Alleinverschulden des Linksabbiegers bei Unfall mit einem Überholenden

Das Landgericht Lübeck kommt in seinem Urteil vom 05.02.2014 – 17 O 255/12 – zu dem Ergebnis, dass im Rahmen des § 9 Abs. 1, Abs. 5 StVO der Beweis des ersten Anscheins gegen einen nach links in das Grundstück abbiegenden Traktor spricht. Der Fahrer hätte jedenfalls bei der zweiten Rückschaupflicht das Fahrzeug der überholenden Klägerin wahrnehmen müssen und den Abbiegevorgang nicht beginnen dürfen, um einen Verstoß gegen § 9 Abs. 1 und Abs. 5 StVO zu vermeiden. Nach Ansicht des LG Lübeck konnte es dahinstehen, ob für die Überholende ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 StVO vorlag oder ob sich für diese aufgrund eines möglichen Verstoßes gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO – Überholen bei unklarer Verkehrslage – ein Mitverursachungsbeitrag ergibt. Denn jedenfalls wäre dieser Mitverursachungsbeitrag so gering, dass er im Verhältnis zu dem groben Verschulden des Abbiegenden und der deutlich erhöhten Betriebsgefahr des Traktors nebst Güllewagen zurücktreten würde.