Ersatz der Mietwagenkosten/Ersatz des merkantilen Minderwerts

Das Amtsgericht Berlin-Mitte hat durch Urteil vom 26.01.2015 – Az.: 115 C 3092/14 – entschieden, dass der Geschädigte von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur Unfallgeschädigten – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Ausgangspunkt bildet dabei der marktübliche Normaltarif. Diesen Normaltarif schätzt das Amtsgericht Berlin-Mitte gemäß § 287 ZPO in Anlehnung an die Schwacke-Liste 2013. Das Gericht teilt die gegen die Anwendbarkeit des Schwacke-Automietpreisspiegels erhobenen Bedenken nicht. Der Mietpreisspiegel des Fraunhofer Instituts kann als Schätzgrundlage herangezogen werden, muss es aber keinesfalls. Die Winterreifen dürfen gesondert berechnet werden. Nach ständiger Rechtsprechung darf auch eine Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung abgeschlossen werden. Kosten für eine Zusatzfahrerberechtigung sind grundsätzlich zu erstatten, soweit dargelegt ist, dass eine weitere Person das Fahrzeug nutzt, was sich im vorliegenden Fall aus dem Mietvertrag ergab. Ebenso ist die Zustellung/Abholung des Fahrzeugs vereinbart worden.
Auch ein Anspruch auf Ersatz des merkantilen Minderwerts war, obwohl das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt 5,5 Jahre alt war und eine Laufleistung von 95.065 km aufwies, gegeben. Bei Schwacke werden Gebrauchtfahrzeuge bis zu 12 Jahren notiert. Aufgrund des technischen Fortschritts können heutzutage Fahrzeuge unproblematisch bis über 200.000 km gefahren werden. Ferner war zu berücksichtigen, dass der Sachverständige dem Fahrzeug einen guten Pflege- und Erhaltungszustand bescheinigt hat.

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Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten

Auch das Amtsgericht Erding kommt in seinem Urteil vom 20.01.2015 – Az.: 3 C 2394/14 – zu dem Ergebnis, dass die Sachverständigenkosten, die sich im Rahmen der für die Erstellung von solchen Gutachten üblichen Vergütung bewegen, zu erstatten sind. Die Üblichkeit kann sich dabei innerhalb einer bestimmten Bandbreite bewegen, wobei die BVSK-Honorartabelle im Rahmen von § 287 ZPO Maßstab der Üblichkeit sein kann. Im vorliegenden Fall lagen das geforderte Grundhonorar und die Nebenkosten innerhalb des Honorarkorridors HB V.

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Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten: Rückforderung des vermeintlich zu viel gezahlten Betrags im Rahmen der Widerklage

Das Amtsgericht Oldenburg vertritt in seinem Urteil vom 30. Dezember 2014 – Az: 7 C 7205/13 (x) – die Auffassung, dass Sachverständigenkosten vollumfänglich zu erstatten sind, sofern der Schädiger nicht konkrete Umstände darlegt, aus denen sich für den Geschädigten hätte ergeben können, dass das Sachverständigenhonorar erkennbar die in der Branche üblichen Preise übersteigt. Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden des Geschädigten oder eine Mangelhaftigkeit des Gutachtens sind nicht allein aufgrund der Abweichung der in dem Gutachten kalkulierten Reparaturkosten von denjenigen Reparaturkosten, die der beauftragte Sachverständige des Schädigers kalkuliert hat, gegeben. Im Rahmen der Schadenskalkulation ist zu berücksichtigen, dass es häufig mehrere vertretbare Wege zur Instandsetzung gibt.
Das AG Oldenburg folgt in seinem Urteil der Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf (Urteil vom 29.05.2008 – Az.: 21 S 142/07), wonach der Haftpflichtversicherung ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Sachverständigen nach §§ 634 Nr. 4, 280 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zustehen kann. Der zum Zweck der Regulierung eines Schadens mit einem Sachverständigen geschlossene Vertrag ist nach gefestigter Rechtsprechung und einhelliger Meinung in der Literatur ein Werkvertrag mit Schutzwirkung zugunsten der regulierenden Haftpflichtversicherung.
Der Klageforderung steht nicht entgegen, dass der Geschädigte zugleich an dem Kfz-Meisterbetrieb beteiligt ist, in dem die Reparaturkosten berechnet wurden, denn die Regulierung erfolgte auf fiktiver Basis und nicht anhand der in dieser Werkstatt berechneten Reparaturkosten.

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Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten: Grundhonorar übersteigt maximalen Korridorwert, weitere Positionen liegen darunter

Das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf hat durch Urteil vom 6. Januar 2015 – Az: 410 d C 86/13 – entschieden, dass Sachverständigenkosten dann zu erstatten sind, wenn sie nicht für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen. Das AG Hamburg-Bergedorf hält den HB V-Korridor der BVSK-Honorarbefragung insoweit für eine geeignete Vergleichsgrundlage. Unter Heranziehung dieses Korridors erweist sich im vorliegenden Fall die Sachverständigenrechnung bei Vornahme einer Gesamtbetrachtung nicht als erkennbar überhöht. So liegt zwar das Grundhonorar über dem maximalen Korridorwert. Jedoch liegen weitere Positionen, wie die Pauschale für Nebenkosten/Porto/Telefon, die Kosten für ein Foto, die Fahrtkosten und die Schreibgebühr unter den Korridorwerten. Eine erkennbare Überhöhung kann deswegen nicht angenommen werden, die geringeren Nebenkosten gleichen (bei Vornahme einer Vergleichsberechnung) das über den Korridorwerten liegende Grundhonorar aus.

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Kosten für die Einholung einer polizeilichen Ermittlungsakte in einer Verkehrsunfallangelegenheit sind erstattungsfähig

Das Amtsgericht Hannover kommt in seinem Urteil vom 09.01.2015 – 556 C 12061/14 – zu dem Ergebnis, dass in Verkehrsunfallsachen regelmäßig auch die Kosten, die durch die Anforderung der Bußgeldakte entstehen, zu erstatten sind. Die Einsichtnahme in die Bußgeldakte ist regelmäßig Voraussetzung für eine umfassende rechtliche Bewertung des Verkehrsunfallgeschehens durch den Rechtsanwalt mit dem Ziel, Schadensersatzansprüche des Geschädigten zügig geltend machen zu können. Die Kosten für die Anforderung der polizeilichen Ermittlungsakte gehören zu den Kosten der Rechtverfolgung. Die Kosten zur Einholung einer Ermittlungsakte sind auch dann zu ersetzen, wenn die Haftung des Schädigers dem Grunde nach bereits am Unfalltag eindeutig gewesen ist und aus Sicht der beklagten gegnerischen Haftpflichtversicherung auch zu keinem Zeitpunkt im Streit gestanden hat, jedoch dem Schädiger gegenüber keine ausdrückliche Haftungsbestätigung abgegeben wurde.

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Haftungsquote des Wendenden (§ 9 Abs. 5 StVO)

Das OLG Celle vertritt in seinem Urteil vom 10. Dezember 2014 – 14 U 139/14 – die Auffassung, dass derjenige, der sein Fahrzeug auf einer Straße wendet, sich so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Kommt es im Rahmen eines Wendemanövers zu einem Verkehrsunfall, spricht gegen den Wendenden der erste Anschein, dass er diesen Anforderungen nicht genügt hat. Es ist insoweit unerheblich, dass sich die Kollision auf der Gegenfahrbahn ereignet und der Zusammenstoß vermieden worden wäre, wenn der Fahrer des nachfolgenden LKW auf seiner Spur geradeaus weitergefahren wäre. Durch die besonderen Sorgfaltsanforderungen gemäß § 9 Abs. 5 StVO bei Wendemanövern soll der nachfolgende Verkehr auch davor geschützt werden, dass er in Folge eines unerwarteten Wendens zu einer objektiv falschen Ausweichreaktion veranlasst wird. Dies soll durch das Gebot, das beabsichtigte Fahrmanöver ausreichend rechtzeitig anzukündigen, sodass sich der nachfolgende Verkehr darauf sachgerecht einstellen kann und dadurch objektiv ungeeignete Ausweichfahrbewegungen vermieden werden, gewährleistet werden. Die falsche Reaktion eines Verkehrsteilnehmers begründet dann kein Verschulden, wenn er in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht voraussehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgemäße unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch reagiert. Im vorliegenden Fall ging das OLG Celle von einem Mitverschulden des Fahrers des nachfolgenden LKW aus, da dieser sein Fahrzeug unter Verstoß gegen die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO nicht lediglich so schnell geführt hat, dass er innerhalb der überschaubaren Wegstrecke anhalten konnte. Das OLG Celle hat deswegen eine Mithaftung von 1/3 angenommen.

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Keine Verpflichtung des Geschädigten, höheres Restwertangebot abzuwarten.

Nach dem Urteil des Amtsgericht Hamburg-Wandsbek vom 02.12.2014 – Az: 716 bC 151/14 – ist der Geschädigte unmittelbar nach Erhalt des Sachverständigengutachtens berechtigt, das Fahrzeug zu dem dort ausgewiesenen Restpreis zu veräußern. Eine vorherige Abstimmung mit der Haftpflichtversicherung des Schädigers ist nicht erforderlich. Der Sachverständige ermittelte den Restwert im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, denn er hatte im regionalen Markt drei Angebote eingeholt. Hätte der Geschädigte bis zu einer Überprüfung durch die gegnerische Haftpflichtversicherung warten müssen, würde die ihm nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen. Die Aufforderung der gegnerischen Haftpflichtversicherung, der Geschädigte solle die Veräußerung des verunfallten Pkw zurückstellen, bis sie den Restwert überprüft habe, ging ins Leere.
Den Geschädigten trifft auch kein Mitverschulden i. S. d. § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB, da er das höhere Restwertangebot erst erhielt, nachdem er den Kaufvertrag bereits abgeschlossen hatte. Es kann offenbleiben, wann der Kaufpreis bezahlt und das Fahrzeug übergeben und übereignet wurde, da allein auf das Verpflichtungsgeschäft und nicht auf das Erfüllungsgeschäft abzustellen ist.

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Fragebogen der R+V Versicherung wird nach Intervention der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht nicht mehr verwendet

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht, RAuN Jörg Elsner, hat in einem Schreiben an die R+V Versicherung deutlich gemacht, dass die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht den von der R+V Versicherung an Mandanten verschickten Fragebogen für nicht akzeptabel hält. Die R+V Versicherung hat nunmehr geantwortet, dass sie ihren Fragebogen zu den Umständen der Anwaltsbeauftragung nicht mehr verwenden wird, da dieser in seiner bisherigen Form zu Missverständnissen führen könne. Sie hat angekündigt, ihren Fragebogen zu überarbeiten. Das Schreiben der R+V Versicherung vom 9. Januar 2015 finden Sie hier:

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Fiktive Reparaturkosten: Verweisung an Werkstatt, die nahezu ausschließlich für Versicherungen tätig wird, ist für Geschädigten nicht zumutbar

Das AG Hamburg vertritt in seinem Urteil vom 20.11.2014 – Az: 50 aC 220/12 – die Auffassung, dass sich der Geschädigte im Falle einer fiktiven Reparatur dann nicht auf die günstigeren Stundenverrechnungssätze einer Werkstatt verweisen lassen muss, wenn die Werkstatt nahezu ausschließlich für Versicherungen tätig wird, oder – abhängig von der konkreten vertraglichen Ausgestaltung – eine dauerhafte vertragliche Verbindung besteht. Die Ersetzungsbefugnis des Geschädigten soll diesen davon befreien, die Schadensbeseitigung dem Schädiger zu überlassen. Er soll sich nicht faktisch in die Hände des Schädigers begeben müssen. Bei einer dauerhaften vertraglichen Verbindung zwischen Werkstatt und Versicherung ist die konkrete Ausgestaltung der Kooperation entscheidend, insbesondere ob und in welchem Umfang die Preiskalkulation der Werkstatt beeinflusst ist und ob durch den Umfang der Zusammenarbeit eine Interessenkollision zu befürchten ist. Diese Beurteilung ist wiederum abhängig von der Kenntnis eines etwaigen versicherungsseits zugesagten Auftragsvolumens im Verhältnis zu der Anzahl der übrigen Aufträge der Werkstatt. Ob die Werkstatt nur im Bereich der Abwicklung von Kaskoschadensfällen mit der Versicherung kooperiert, ist demgegenüber nicht allein entscheidend.

Das AG Hamburg schließt sich mit diesen Ausführungen der Auffassung des LG Hamburg und des Hanseatischen Oberlandesgerichts an.

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Ersatz der Mehrkosten durch unnötige Zusatzarbeiten der Reparaturwerkstatt/Anwendbarkeit der Schwacke-Liste/Nichterhebung von Kosten (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG) bei unrichtiger Sachbehandlung seitens des Gerichts

Das AG Düsseldorf kommt in seinem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 21. November 2014 – 31 C 11789/11 – zu dem Ergebnis, dass dem Geschädigten die Mehrkosten zu ersetzen sind, die ohne seine Schuld durch unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt entstehen. Der Schädiger trägt das sogenannte Werkstatt- und Prognoserisiko, falls den Geschädigten nicht ausnahmsweise hinsichtlich der gewählten Fachwerkstatt ein Auswahlverschulden trifft. Sobald der Geschädigte das verunfallte Fahrzeug der Reparaturwerkstatt zwecks Reparatur übergeben hat, hat er letztlich keinen Einfluss mehr darauf, ob und inwieweit sodann unnötige oder überteuerte Maßnahmen vorgenommen werden. Dies darf nicht zu seinen Lasten gehen, da er ansonsten einen Teil seiner aufgewendeten Kosten nicht ersetzt bekommen würde. Zu den in den Verantwortungsbereich des Schädigers fallenden Mehrkosten gehören auch Kosten für unnötige Zusatzarbeiten, welche durch die Werkstatt ausgeführt wurden. Die Ersatzfähigkeit von unnötigen Mehraufwendungen ist nur ausnahmsweise dann ausgeschlossen, wenn dem Dritten ein äußerst grobes Verschulden zur Last fällt, sodass die Mehraufwendungen dem Schädiger nicht mehr zuzurechnen sind. Dem Schädiger entsteht hierdurch kein Nachteil, da er nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung die Abtretung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen die Werkstatt verlangen kann.
Bei der Bestimmung der erforderlichen Mietwagenkosten geht das AG Düsseldorf im Rahmen der Schätzung des ersatzfähigen Normaltarifs von der Schwacke-Liste aus.
Von der Erhebung der Kosten für zwei schriftliche Sachverständigengutachten hat das AG Düsseldorf gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG abgesehen, da eine unrichtige Sachbehandlung seitens des Gerichts vorliegt. Eine solche liegt insbesondere dann vor, wenn eine Beweisaufnahme durchgeführt wird, auf die es für die Entscheidung nicht ankommt. Dies war im vorliegenden Fall gegeben, da aufgrund der Rechtsprechung des BGH zum sogenannten Werkstatt- und Prognoserisiko der Klage hinsichtlich der Reparaturkosten ohne Durchführung einer Beweisaufnahme zur Frage der Notwendigkeit einzelner Reparaturmaßnahmen stattzugeben war. Die Kosten für die Einholung der beiden Sachverständigengutachten waren somit objektiv nicht notwendig. Eine andere Betrachtung ist auch nicht deshalb angezeigt, weil zwischen Erlass und Ausführung des Beweisbeschlusses einerseits und Urteilsfällung andererseits ein Abteilungsrichterwechsel stattgefunden hat. Denn der vorherige Abteilungsrichter hatte sich mit der Rechtsprechung des BGH zum Werkstattrisiko, soweit ersichtlich, nicht auseinandergesetzt.

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