Mietwagenkosten: Schwacke-Liste ist die geeignete Schätzgrundlage

Das AG Norderstedt vertritt in seinem Urteil vom 19.10.2020 – 49 C 59/20 – die Auffassung, dass bei der Schadensschätzung die Schwacke-Liste zu Grunde gelegt werden kann. Hinsichtlich der Fahrzeugklasse ist auf den angemieteten Ersatzwagen nicht auf den beschädigten Unfallwagen abzustellen. Bei Anmietung eines klassentieferen Fahrzeugs ist kein Abschlag für ersparte Eigenaufwendungen vorzunehmen.

Die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste auf den vorliegenden Fall hat die Beklagte auch nicht durch Vorlage von drei Internetauszügen von Mietwagenfirmen erschüttert. Die Angebote stammen allesamt nicht aus dem in Rede stehenden Reparaturzeitraum und sind deswegen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu berücksichtigen.

Kosten für zusätzliche Covid-Schutzmaßnahmen sind zu ersetzen

Das AG Langen hat durch Urteil vom 29.10.2020 – 55 C 89/20 (11) – entschieden, dass zu den erstattungsfähigen Kosten die zusätzlichen Covid-Schutzmaßnahmen gehören. Es handelt sich hierbei um einen kausalen Schaden, der dem Kläger nicht entstanden wäre, hätte er sich nicht aufgrund eines Unfalls in die Werkstatt begeben müssen. Zudem werden diese Zusatzmaßnahmen inzwischen von den meisten Werkstätten berechnet und auch von anderen Betrieben, wie u. a. Friseurläden etc.

Auch die geltend gemachten Verbringungskosten sind begründet. Sie wurden bereits im Sachverständigengutachten berücksichtigt und durch Vorlage einer Rechnung belegt.

Abtretung möglicher Schadensersatzansprüche Zug-um-Zug

Das Amtsgericht Rendsburg vertritt in seinem Urteil vom 25.6.2019 – 42 C 15/19 – die Auffassung, dass der Geschädigte darauf vertrauen darf, dass die in Rechnung gestellten und vom Sachverständigen für erforderlich gehaltenen Reparaturarbeiten tatsächlich ausgeführt wurden. Er muss nicht beweisen, dass eine Lackierung tatsächlich erfolgt ist. Der Geschädigte hat den Bedenken der Beklagten insoweit Rechnung getragen, als er mögliche Schadensersatzansprüche Zug-um-Zug gegen die begehrte Freistellung an die Beklagte abtritt.

Abtretung der Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt wegen Schlechterfüllung (§ 255 BGB)

Das Amtsgericht Erlangen kommt in seinem Urteil vom 17.10.2019 – Az.: 1 C 1012/19 – zu dem Ergebnis, dass die Haftpflichtversicherung des Schädigers sich in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 255 BGB etwaige Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt wegen Schlechterfüllung des Reparaturauftrags abtreten lassen kann. Die Analogie ist hier zulässig, weil es, ohne dass hierfür ein vernünftiger Grund ersichtlich wäre, einen gesetzlichen Forderungsübergang der Ansprüche des Ersatzverpflichteten nicht gibt. Zudem greift der Normzweck des § 255 BGB als Ausdruck des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots (Ausgleichstheorie) auch in dieser Fallgestaltung. Die Beklagte hat somit zu Recht ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB geltend gemacht. Sie war daher Zug-um-Zug zu verurteilen gegen Abtretung der Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Reparaturwerkstatt an die Beklagte.

Ersatz der Nutzungsentschädigung, der Mietwagenkosten und der Kosten des Prozessbevollmächtigten für eine vergebliche Geltendmachung beim „falschen“ Versicherer

Das Amtsgericht Kerpen hat durch Urteil vom 30.10.2019 – Az.: 110 C83/18 – entschieden, dass der Geschädigte, der substantiiert die fühlbare Beeinträchtigung der Nutzung darlegt, auch dann einen Ersatzanspruch in Form einer Nutzungsentschädigung hat, wenn er kein Ersatzfahrzeug mietet. Das AG Kerpen legt bei der Ermittlung der Höhe der Mietwagenkosten das arithmetische Mittel der Schwacke-und der Fraunhofer-Liste zugrunde.
Aus Gründen der Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen bevorzugt das AG Kerpen weiterhin die seit der Entscheidung des OLG Köln vom 30.7.2013 eingenommene Linie der Schadensschätzung, die ausreichend Raum gibt, den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der ortsüblichen Mietwagenkosten erscheint grundsätzlich, wie auch im Streitfall, nicht geboten. Im Hinblick auf die von der Beklagten vorgelegten Internet-Angebote hat das AG Kerpen Bedenken hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Tarife. Das von der Beklagten vorgelegte Angebot bezieht sich nicht auf ein bestimmtes Fahrzeugmodell. Es wird lediglich ein Beispiel für eine bestimmte Fahrzeugklasse angeboten. Auch lassen sich dem Angebot nicht die Kosten entnehmen, die sich für die von der Geschädigten in Anspruch genommenen Zusatzleistungen, wie Zusatzfahrer, Zustellung/Abholung oder geringere Selbstbeteiligung, im Schadensfall ergeben. Der Abzug für ersparte Eigenaufwendungen kann regelmäßig auf 4 % geschätzt werden. Dieser ist nicht vorzunehmen, wenn ein klassentieferes Fahrzeug angemietet wurde. Soweit die Beklagte der Ansicht ist, dass die Mietdauer allenfalls mit 19 Tagen anzusetzen sei, teilt das Gericht diese Ansicht nicht. Denn die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass ihr eine frühere Finanzierung nicht möglich war. Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder gar einen Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen. Eine solche Pflicht kann ausnahmsweise dann bejaht werden, wenn der Geschädigte sich den Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und er durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird. Die Beklagte muss auch die Kosten für eine vergebliche Geltendmachung bei der „falschen“ Versicherung zahlen. Denn die Geschädigte macht mit der Klage nicht Kosten für ihre Tätigkeit gegenüber der Versicherung geltend, sondern für die Tätigkeit gegenüber der Beklagten. Im Übrigen hat die Beklagte unstreitig die Kosten, die der Klägerin für das Tätigwerden ihres Prozessbevollmächtigten gegenüber der Versicherung entstanden sind, bereits vollständig beglichen. Insofern ist in dem Verhalten der Beklagten ein Anerkenntnis zu sehen. Das Risiko, dass sich der Geschädigte nicht an die Versicherung des Schädigers wendet, sondern aufgrund ihm vom Fahrer des gegnerischen Unfallfahrzeuges mitgeteilter falscher Informationen eine falsche Versicherung kontaktiert, kann nicht dem Geschädigten zugerechnet werden. Auch die Beklagte hätte sich jederzeit bei der Klägerin zur Abwicklung der Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis melden und so frühzeitig solche Kosten vermeiden können.

Kollision zwischen ausparkendem und einem von links auf eine Vorfahrtsstraße einbiegenden Fahrzeug

Das LG München I vertritt in seinem Urteil vom 10.9.2090 – Az.: 20 O11779/17 – die Auffassung, dass derjenige, der in eine Vorfahrtsstraße abbiegt, den Unfall dann hätte vermeiden können, wenn er vor dem Einfahren in die bevorrechtigte Straße den gesamten Verkehrsraum beobachtet und die Vorbeifahrt des Fahrzeugs, das ausparkt und sofort nach dem Ausparken auf den linken Fahrstreifen wechselt, abgewartet hätte. Die Fahrerin des ausparkenden Fahrzeugs hätte den Unfall nur vermeiden können, wenn sie sich im Zuge des Ausparkvorgangs in die rechte Fahrspur eingeordnet und erst später auf die linke Fahrspur gewechselt hätte. Hierzu war sie jedoch nicht verpflichtet, da § 7 Abs. 5 StVO nur den parallel fließenden Verkehr schützt. Zudem überwiegt das Verschulden des Einbiegenden eine mögliche Unaufmerksamkeit des Ausparkenden bei weitem, da er die Vorfahrt des Ausparkenden zu beachten hat.

Ersatz der Mietwagenkosten

Das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf kommt in seinem Urteil vom 10.12.2019 – Az.: 410a C 73/18 – zu dem Ergebnis, dass ein Mietwagen dann erforderlich ist, wenn kein öffentlicher Personennahverkehr vorhanden ist. Der Geschädigte musste seine Tochter zur Arbeit fahren, da keine öffentlichen Verkehrsmittel vorhanden waren. Der Einwand im gerichtlichen Verfahren, man hätte ein Taxi nehmen können, ist verwirkt, da die Beklagte einen Teilbetrag auf die Mietwagenrechnung gezahlt und damit ein deklaratorisches Anerkenntnis abgegeben hat. Es ist irrelevant, ob ein 5-Tages-Tarif billiger gewesen wäre, denn zum Zeitpunkt der Anmietung war dem Geschädigten nicht bekannt, ob er das Mietfahrzeug länger als fünf Tage würde nützen müssen. Der Geschädigte hätte auch kein billigeres Ersatzfahrzeug anmieten können, da überhaupt nur das letztlich angemietete Fahrzeug zur Verfügung stand. Der Geschädigte muss sich 10 % Abzug als ersparte Aufwendungen anrechnen lassen.

Schaden reguliert: Kosten des Anwalts vergessen

Das Amtsgericht Rosenheim vertritt in seinem Beschluss vom 03.02.2020 – Az.: 15 C 859/19 – die Auffassung, dass der Anspruch auf die Geschäftsgebühr für die vorprozessuale Tätigkeit nicht auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist. Die Geschäftsgebühr ist nicht wegen desselben Gegenstands entstanden. Streitgegenstand der vorgerichtlichen Mandatierung waren Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall. Für diesen Gegenstand ist eine Geschäftsgebühr entstanden. Gegenstand des Klageverfahrens waren die restlichen vorgerichtlichen Anwaltskosten, die Hauptforderung waren und gerade nicht Nebenforderung. Diese Anwaltskosten waren nicht in den Schadensersatzansprüchen aus dem Verkehrsunfall enthalten. Vor diesem Hintergrund lagen auch nach einer wirtschaftlichen Betrachtung unterschiedliche Gegenstände vor. Eine Anrechnung hatte nicht stattzufinden.

Ersatz der Mietwagenkosten: Schwacke Liste minus 17 %, Ersatz der Sachverständigen- und Reparaturkosten

Das Amtsgericht Erlangen vertritt in seinem Urteil vom 17.6.2019 – Az.: SC 15/99 – die Auffassung, dass die Eignung und Anwendbarkeit der Schwacke-Liste zur Ermittlung des Normaltarifs der Mietwagenkosten nicht infrage steht. Dem Einwand, dass die in der Schwacke-Liste abgebildeten Mietwagentarife die tatsächliche Marktlage nur überhöht wiedergeben, wird durch Vornahme eines Abschlags von 17 % Rechnung getragen. Ein Abzug von 3 % Eigenersparnis ist ausreichend.

Bei der Frage, ob das geltend gemachte Sachverständigenhonorar der Höhe nach der üblichen Vergütung eines Kraftfahrzeugsachverständigen entspricht, geht das AG Erlangen davon aus, dass die BVSK-Befragung eine taugliche Schätzgrundlage darstellt. Wobei das arithmetische Mittel des „HB V Korridors“ der BVSK-Honorarbefragung, hier des Jahres 2018, einen praktikablen Wert für die Üblichkeit liefert.

Der Anspruch des Klägers auf Ersatz der Reparaturkosten ist nicht auf den vom Sachverständigen zur Behebung des Schadens objektiv für erforderlich gehaltenen Betrag zu beschränken. Der Geschädigte hat mit der Begutachtung des beschädigten PKWs einen Sachverständigen beauftragt auf dessen Fachkunde er vertrauen durfte. Für ihn war nicht erkennbar, woraus die Erhöhung der Reparaturkosten resultierte. Das Werkstattrisiko geht zu Lasten des Schädigers.

Mietwagenkosten bei verzögerter Reparatur/Höhe der Reparaturkosten

Das Amtsgericht Rendsburg hat durch Urteil vom 11.7.2019 – 49 C 72/19 – entschieden, dass der Geschädigte sich keine Abzüge an den Mietwagenkosten entgegenhalten lassen muss, weil die tatsächliche Reparaturdauer über die in dem Gutachten prognostizierte Reparaturdauer hinausging. Der Geschädigte hat lediglich einen begrenzten Einfluss auf die Werkstatt, sodass die Versicherung das Abwicklungsrisiko zu tragen hat. Den Geschädigten trifft insbesondere auch keine Erkundigungspflicht bei Auftragserteilung, wie lange die Reparatur in Anspruch nehmen werde und ob bereits Verzögerungstatbestände abzusehen seien. Dies überspannt die Obliegenheiten, welche einem Geschädigten zugemutet werden können bei Weitem.

Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug reparieren, so sind die durch eine Reparaturrechnung der Werkstatt belegten Aufwendungen im Allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der eingegangenen Reparaturkosten. Diese „tatsächlichen“ Reparaturkosten können regelmäßig auch für die Bemessung des „erforderlichen“ Herstellungsaufwands herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten – etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise im Vergleich zu dem, was für eine solche Reparatur sonst üblich ist – unangemessen sind.