Das AG Niebüll hat in drei gleichlautenden Urteilen – 10a C 187/20 vom 09.01.2021, 10a C 76/20 vom 08.01.2021 und 10a C 188/20 vom 09.01.2021 – entschieden, dass den Geschädigten ein Anspruch auf Zahlung weiterer Verbringungskosten zusteht. Verbringungskosten fallen bei einer Reparatur in einer markengebunden Fachwerkstatt regelmäßig an, weil – allgemein bekannt – die wenigsten solcher Werkstätten über eine eigene Lackiererei verfügen. Die Tatsache, dass die Klägerin auf ihrer Internetseite mit einem „Lackservice“ wirbt, bedeutet nicht, dass die Klägerin über eine eigene Lackiererei verfügt. Dementsprechend hat die Beklagte vorgerichtlich auch einen Teil der von der Klägerin abgerechneten Lackierkosten erstattet. Im Übrigen entspricht es dem üblichen Werkstattrisiko, wenn ein Autohaus zu lange oder zu teuer oder außerhalb des Einflussbereichs der Auftraggeberin unwirtschaftlich reparieren sollte. Ein solches Risiko trägt jedenfalls nicht die Geschädigte als Auftraggeberin, sondern der Schädiger, mithin die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind. Der Anspruch erstreckt sich auf die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war vorliegend zweckmäßig und erforderlich, um den Schadensersatzanspruch geltend zu machen und durchzusetzen.
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Das Amtsgericht München kommt in seinem Urteil vom 02.12.2019 – Az.: 213 C 16136/19 zu dem Ergebnis, dass bei straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich der Ansatz der Mittelgebühr als Ausgangspunkt gerechtfertigt ist. Dies gilt auch dann, wenn lediglich ein Bußgeld von 135 € (samt Eintrag eines Punktes) Gegenstand des Bußgeldbescheides war. Die drohende Rechtsfolge entspricht durchaus dem Durchschnitt bei Verkehrsordnungswidrigkeiten.
Das Amtsgericht Rosenheim vertritt in seinem Beschluss vom 03.02.2020 – Az.: 15 C 859/19 – die Auffassung, dass der Anspruch auf die Geschäftsgebühr für die vorprozessuale Tätigkeit nicht auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist. Die Geschäftsgebühr ist nicht wegen desselben Gegenstands entstanden. Streitgegenstand der vorgerichtlichen Mandatierung waren Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall. Für diesen Gegenstand ist eine Geschäftsgebühr entstanden. Gegenstand des Klageverfahrens waren die restlichen vorgerichtlichen Anwaltskosten, die Hauptforderung waren und gerade nicht Nebenforderung. Diese Anwaltskosten waren nicht in den Schadensersatzansprüchen aus dem Verkehrsunfall enthalten. Vor diesem Hintergrund lagen auch nach einer wirtschaftlichen Betrachtung unterschiedliche Gegenstände vor. Eine Anrechnung hatte nicht stattzufinden.
Das AG Düsseldorf hat durch Urteil vom 24.01.2018 – Az.: 50 C 208/17 – entschieden, dass der Geschädigte als Folgeschaden auch die ihm für die außergerichtliche Geltendmachung seines Schadens entstandenen Rechtsanwaltsgebühren verlangen kann, wenn die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig war. Dies war im vorliegenden Fall gegeben, da es sich um eine Schadensregulierung im Anschluss an einen Verkehrsunfall handelte. Selbst wenn der Haftungsgrund bei Verkehrsunfällen häufig eindeutig und unstreitig ist, trifft dies auf die Haftungshöhe nicht zu. Sowohl die restriktive Schadensregulierung der Haftpflichtversicherer als auch die komplexe obergerichtliche Rechtsprechung zur (Nicht-) Berechtigung von Unfallschadenspositionen führt dazu, dass es einfach gelagerte Verkehrsunfallsachverhalte nicht gibt. Eine Schadensersatzpflicht entfällt auch nicht deswegen, weil die Geschädigte über einen großen Fuhrpark verfügt und damit regelmäßig mit Verkehrsunfällen konfrontiert ist. Originäre Aufgabe der Klägerin ist es nicht, Schadensfälle abzuwickeln, sondern den Personentransport mit Bussen durchzuführen.
Das AG Hamburg vertritt in seiner Entscheidung vom 31.01.2018 – Az.: 20a C 451/17 – die Auffassung, dass es den „einfach gelagerten Verkehrsunfall“, wie ihn der BGH mit Urteil vom 08.11.1994 (NJW 1995, 446) vor gut 23 Jahren angenommen hat, heute grundsätzlich nicht mehr gibt. Selbst wenn die Haftung dem Grunde nach mal vergleichsweise einfach erscheint, ist heute die Schadensabwicklung zur Höhe in jedem Fall so vielschichtig geworden, dass die Einschaltung eines Rechtsanwalts regelmäßig erforderlich ist. Somit sind die dadurch ausgelösten Kosten vom Schädiger zu erstatten. Allenfalls bei Geschädigten, die ihrerseits über vergleichbare Kenntnisse wie ein Fachanwalt für Verkehrsrecht verfügen, erscheint die sofortige vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht zwingend erforderlich. Derart juristisch spezialisiert war die Geschädigte, die ein Fahrzeugvermietungsgeschäft betreibt, aber im vorliegenden Fall nicht.
Das Landgericht Lüneburg hat durch Urteil vom 07.04.2015 – 9 S 104/14 – entschieden, dass bei einer Kollision mit einem eine Kolonne überholenden Fahrzeug und einem links in eine Einmündung abbiegenden Fahrzeug der Verstoß des Überholenden (Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO: Überholen in unklarer Verkehrslage) den Verstoß des Abbiegenden (Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht) überwiegt, so dass eine Quote von 2/3 zu 1/3 zu Lasten des Überholenden gerechtfertigt ist. Das LG Lüneburg folgt der herrschenden Meinung, wonach sich das Quotenvorrecht nur auf den unmittelbaren Sachschaden, nicht jedoch auf die Sachfolgeschäden bezieht. Demnach zählen neben den Reparaturkosten auch die für die Begutachtung der Fahrzeugschäden aufgewandten Sachverständigenkosten zu den unmittelbaren Sachschäden, so dass auch diese am Quotenvorrecht teilnehmen. Gleiches gilt für die Abschleppkosten. Mietwagenkosten, die sich innerhalb dessen, was nach der Schwacke-Liste zulässig ist, bewegen, sind nicht zu beanstanden. Auch der Ausgleich der Rechtsanwaltskosten, die erforderlich waren, um den Anspruch in der tatsächlich bestehenden Höhe vorgerichtlich geltend zu machen, wird geschuldet. Denn die Schadensersatzforderung war – berechtigterweise – außergerichtlich geltend gemacht worden, bevor die Geschädigte die Kaskoversicherung in Anspruch genommen und die Versicherungsleistung erhalten hatte.
Volltext: LG Lüneburg.pdf
Nach einem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 14.04.2015 – Az.: 501 C 15253/14 – sind bei der Berechnung des Gegenstandswerts der Rechtsanwaltsgebühren auch Schadenspositionen zu berücksichtigen, die abgetreten wurden, wenn die Abtretung lediglich erfüllungshalber erfolgte und etwaige, bereits entstandene Rechtsverfolgungskosten nicht erfasste.
Sämtliche vorgerichtlich bezifferten Ansprüche in berechtigter Höhe sind bei der Berechnung des Gegenstandswerts der Rechtsanwaltsgebühren zu berücksichtigen.
Volltext: AG Hannover.pdf
Das Amtsgericht Hamburg-St. Georg kommt in seinem Beschluss vom 25.11.2014 – Az: 904 M 2297/14 – zu dem Ergebnis, dass es sich bei den von der Gläubigerin zur Zwangsvollstreckung begehrten Rechtsanwaltskosten für einen Ratenzahlungsvergleich zwischen ihr und dem Schuldner um Kosten handelt, die i. S. v. § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig waren. Diese fallen dem Schuldner zur Last und sind zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben. Eine Ratenzahlungsvereinbarung kann, da sie kein formbedürftiger Vertrag ist, auch mündlich getroffen werden. Dies hatte die Gläubigerin im vorliegenden Fall plausibel und für das Gericht nachvollziehbar dargelegt.
Volltext: AG Hamburg-St.Georg.pdf
Das Amtsgericht Hannover verneint in zwei Urteilen die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
In dem Urteil vom 17.09.2013 – Geschäftsnummer: 554 C 2047/13 – kommt das AG Hannover zu dem Ergebnis, dass die Rechtsverfolgungskosten im Rahmen der Abwicklung eines Verkehrsunfalls als Schadensposition grundsätzlich erstattungsfähig sind, eine Erstattungsfähigkeit jedoch deswegen ausnahmsweise im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, weil die Einschaltung eines Rechtsanwalts für das erste Anspruchsschreiben nicht erforderlich war. Zwar kommt auch für im allgemeinen Geschäftsverkehr versierte Unternehmen wegen der fortgeschrittenen Ausdifferenzierung des Unfallschadensrechts die Ersatzfähigkeit von Rechtsanwaltskosten für erste Anschreiben in Betracht. Das Leasingunternehmen hält jedoch im vorliegenden Fall eine Rechtsabteilung vor und wirbt mit der Schadensbetreuung durch professionelle Mitarbeiter der Schadenabteilung. Das AG Hannover geht daher davon aus, dass diese Mitarbeiter in der Lage sind, die Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen sowie die Aufzählung der in Betracht kommenden Schadenspositionen zu leisten. Da auch keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass einzelne Schadenspositionen streitig werden könnten, war das klägerische Leasingunternehmen gehalten, ein erstes Anspruchsschreiben selbst zu verfassen.
In seinem Urteil vom 22.11.2013 – Geschäftszeichen: 535 C 9946/13 – vertritt das AG Hannover die Auffassung, dass die Einschaltung eines Rechtsanwaltes deswegen nicht zur Durchsetzung der klägerischen Ansprüche notwendig war, weil die Haftungssituation rechtlich leicht einzuordnen war. Der Versicherungsnehmer der beklagten Haftpflichtversicherung hatte den Unfall allein verursacht und muss für die Schäden vollumfänglich aufkommen. Die rechtliche Einordnung war für das klägerische Leasingunternehmen auch ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts ohne Weiteres möglich, da es sich in seiner Eigenschaft als Leasingunternehmen zwangsläufig auch mit der Regulierung von Unfallschäden befasst. Es wirbt in einer Broschüre sogar mit der Schadensbearbeitung und- abwicklung mit dem zuständigen Versicherer.
Das Landgericht Gera vertritt in seinem Urteil vom 28.06.2013 – 1 S 232/12 – die Auffassung, dass dann, wenn es im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Linksabbiegen zu einer Kollision mit einem links überholenden Fahrzeug kommt, der Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass der Linksabbieger seine Sorgfaltspflicht aus § 9 Abs. 1 StVO verletzt hat. Das LG Gera verneint die Mithaftung des überholenden Fahrzeugs, da keine unklare Verkehrslage im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO vorliegt, denn allein die Tatsache, dass der Linksabbieger seine Geschwindigkeit verlangsamte, reicht für die Annahme einer unklaren Verkehrslage nicht aus. Der Anspruch auf Nutzungsausfall beschränkt sich grundsätzlich auf die für die Reparatur notwendige Zeit, d.h. auf die tatsächliche und objektiv erforderliche Ausfallzeit. Allerdings ist dem Geschädigten auch eine Prüfungs- und Überlegungszeit zuzubilligen. Im konkreten Fall war eine Überlegungszeit, da sich der Geschädigte bereits ohne Vorlage des Gutachtens für die Reparatur entschlossen hatte, nicht einzustellen, aber ihm war Zeit einzuräumen, um notwendige Dispositionen zu treffen. Hierbei ist eine Dispositionszeit von drei Tagen nach Auffassung des LG Gera nicht zu beanstanden.
Die Kosten für die anwaltliche Inanspruchnahme der Kasko-Versicherung sind als erstattungsfähiger Schaden zu berücksichtigen. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war. Nach Auffassung des LG Gera bestand die Notwendigkeit der anwaltlichen Hilfe im vorliegenden Fall erst ab dem Zeitpunkt, ab dem die Kaskoversicherung sich auf ein Verweisungsverzichtsabkommen mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung berufen hat.