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Sachverständigenkosten: Prüfgutachten/UPE-Aufschläge/kein Verweis auf freie Fachwerkstatt

Das AG Neuwied hat durch Urteil vom 10.03.2016 – Aktenzeichen: 43 C 1164/15 – entschieden, dass die in einem Prüfgutachten allgemein und abstrakt gehaltenen und in den stets gleichlautenden Textbausteinen wiederkehrenden technischen Ausführungen nicht geeignet sind, die Feststellungen des Schadensgutachters, die er auf der Grundlage einer eigenen Besichtigung des beschädigten Fahrzeugs getroffen hatte, in Zweifel zu ziehen. Die abstrakten technischen Ausführungen entbehren eines Bezugs zu dem konkreten Schadensfall und dem konkreten Fahrzeug. UPE-Aufschläge sind ersatzfähig, da dem Gericht bekannt ist, dass im Bezirk des angerufenen Gerichts die markengebundenen Fachwerkstätten regelmäßig diese Ersatzteilaufschläge berechnen. Der Kläger konnte nicht auf die Inanspruchnahme einer nachgewiesenen freien Fachwerkstatt verwiesen werden, da ihm dies unzumutbar war. Der Kläger hatte im vorliegenden Fall durch Vorlage der Ablichtung seines Wartungshefts nachgewiesen, dass er die erforderlichen Inspektionen seines Fahrzeug bisher stets in einer Mercedes-Benz-Werkstatt hatte durchführen lassen, so dass er seinen Schaden auf der Grundlage der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Werkstatt kalkulieren durfte.

Verweisung auf Referenzwerkstatt zumutbar

Nach dem Teil-Anerkenntnis- und Endurteil des Amtsgerichts Hamburg vom 04.02.2016 – Az.: 31 bC 136/14 – ist eine Verweisung auf eine Referenzwerkstatt dann zumutbar, wenn sich diese in einer der Klägerin zumutbaren Entfernung von ihrem Wohnort – im vorliegenden Fall 12,3 km – befindet, und sie diese gemessen an den konkreten Umständen des Einzelfalls mühelos und ohne Weiteres erreichen kann. Auch die Tatsache, dass sich die Referenzwerkstatt nicht am Wohnort der Klägerin in Hamburg, sondern in Ahrensburg befindet, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es handelt sich dabei um einen kommunalrechtlichen Aspekt, der für die tatsächlichen Umstände der Fahrzeugreparatur keine Bedeutung hat. Bei der Beurteilung der Erreichbarkeit kommt es nicht auf die Entfernung der Referenzwerkstatt zum Arbeitsort der Geschädigten an, sondern auf die Entfernung zum Wohnort, ggf. bei vergleichender Betrachtung mit einer naheliegenden markengebundenen Fachwerkstatt. Das klägerische Fahrzeug war im Unfallzeitpunkt älter als drei Jahre, wies eine Laufleistung von 125.411 km auf und die Klägerin hat trotz eines Bestreitens durch die Beklagte nicht nachgewiesen, dass ihr Fahrzeug scheckheftgepflegt war.

Fiktive Reparaturkosten: Verweisung an Werkstatt, die nahezu ausschließlich für Versicherungen tätig wird, ist für Geschädigten nicht zumutbar

Das AG Hamburg vertritt in seinem Urteil vom 20.11.2014 – Az: 50 aC 220/12 – die Auffassung, dass sich der Geschädigte im Falle einer fiktiven Reparatur dann nicht auf die günstigeren Stundenverrechnungssätze einer Werkstatt verweisen lassen muss, wenn die Werkstatt nahezu ausschließlich für Versicherungen tätig wird, oder – abhängig von der konkreten vertraglichen Ausgestaltung – eine dauerhafte vertragliche Verbindung besteht. Die Ersetzungsbefugnis des Geschädigten soll diesen davon befreien, die Schadensbeseitigung dem Schädiger zu überlassen. Er soll sich nicht faktisch in die Hände des Schädigers begeben müssen. Bei einer dauerhaften vertraglichen Verbindung zwischen Werkstatt und Versicherung ist die konkrete Ausgestaltung der Kooperation entscheidend, insbesondere ob und in welchem Umfang die Preiskalkulation der Werkstatt beeinflusst ist und ob durch den Umfang der Zusammenarbeit eine Interessenkollision zu befürchten ist. Diese Beurteilung ist wiederum abhängig von der Kenntnis eines etwaigen versicherungsseits zugesagten Auftragsvolumens im Verhältnis zu der Anzahl der übrigen Aufträge der Werkstatt. Ob die Werkstatt nur im Bereich der Abwicklung von Kaskoschadensfällen mit der Versicherung kooperiert, ist demgegenüber nicht allein entscheidend.

Das AG Hamburg schließt sich mit diesen Ausführungen der Auffassung des LG Hamburg und des Hanseatischen Oberlandesgerichts an.

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LG Hamburg zur Gleichwertigkeit der Referenzwerkstatt, Hinweisbeschluss vom 15.5.2013 – 302 S 8/12 –

Wie so oft bei der fiktiven Schadensabrechnung durch den Geschädigten verweisen die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherungen auf von ihr benannte Referenzwerkstätten, die angeblich qualitätsmäßig gleichwertig reparieren, aber preiswerter. Nach der Rechtsprechung des BGH darf der Geschädigte aber nur dann auf eine preiswertere Alternativwerkstatt verwiesen werden, wenn deren günstigere Preise nicht aufgrund einer Vertragsvereinbarung mit dem Haftpflichtversicherer bestehen.

Diese Bedenken hatte die Berufungskammer des Landgerichts Hamburg in einem Berufungsrechtsstreit gegen ein Urteil des AG Hamburg. Mit Hinweisbeschluss vom 15.5.2013 wurde die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung auf die Rechtslage hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Verweisung für den Geschädigten hingewiesen.

Die Kammer weist darauf hin, dass eine vertragliche Beziehung der Beklagten zu dem benannten Referenzbetrieb nach Auffassung der Kammer grundsätzlich geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Verweisung zu begründen, denn ein Verweis an die mit dem Ersatzpflichtigen vertraglich verbundene Reparaturwerkstatt würde die Ersetzungsbefugnis des Klägers nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB unterlaufen. Diese soll dem Gläubiger die Möglichkeit bieten, den Schaden in eigener Regie ohne Einflussmöglichkeiten des Schädigers zu beheben und ihn davon befreien, die beschädigte Sache dem Schädiger oder einer von ihm ausgewählten Person zur Reparatur anvertrauen zu müssen.

Es besteht die Gefahr, dass der Reparaturbetrieb wegen der dauerhaften vertraglichen Verbundenheit mit der Beklagten bei der Durchführung der Reparatur das ihr im Einzelfall bei der Wahl von Methode und Technik zustehende Ermessen zu Gunsten der Beklagten und zu Lasten des Klägers ausübt. Der Geschädigte muss sich nach Auffassung der Kammer auch nicht in die Hand des Schädigers begeben. Ob und inwieweit die vom Referenzbetrieb angebotenen Preise (markt-)üblich sind, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

Die Beklagte kann auch nicht mit dem Einwand durchdringen, die vertragliche Vereinbarung betreffe nur Kaskoschäden und der Kläger müsse sich wegen der gewählten fiktiven Abrechnung nicht tatsächlich in die Hand der Werkstatt begeben. Eine mögliche Interessenkollision bei dem Reparaturbetrieb ist durch die vertragliche Vereinbarung nicht nur bei Kaskoschäden begründet, sondern auch in dem hier in Rede stehenden Fall. Auch ist es gerade Wesen der Ersetzungsbefugnis, sich nicht in die Hand des Schädigers begeben zu müssen und lediglich den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Dies bedeutet, dass der Geschädigte sich auch im Rahmen fiktiver Abrechnung nicht den Einflussmöglichkeiten des Schädigers und dessen Versicherung aussetzen muss.

Die Beklagte hat die vom Kläger behauptete vertragliche Verbindung zur Referenzwerkstatt nicht in Abrede gestellt. Der Kläger hat substantiiert vorgetragen, dass es sich bei der Beklagten quasi um eine Partnerversicherung des Reparaturbetriebs handelt, dementsprechend die Referenzwerkstatt eine Partnerwerkstatt der Versicherung ist. Der Beklagten wird aufgegeben, binnen zwei Wochen im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast näher dazu vorzutragen, ob eine vertragliche Vereinbarung mit der von ihr benannten Referenzwerkstatt besteht und welchen Inhalt diese Vereinbarung gegebenenfalls hat. Auf die prozessuale Wahrheitspflicht der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung wird hingewiesen.

Fazit und Praxishinweis: Dass im konkreten Fall eine vertragliche Beziehung zwischen Referenzwerkstatt und eintrittspflichtiger Kfz-Haftpflichtversicherung besteht, ist durch das Nichtbestreiten der beklagten Haftpflichtversicherung unstreitig geworden. Wenn die genannten geringeren Preise auf Sondervereinbarungen mit der Versicherung aufgrund der langjährigen Beziehungen beruhen, handelt es sich nicht um marktgerechte Preise, auf die sich der Geschädigte nicht verweisen lassen muss. Dies gilt insbesondere für Stundensätze bei Vertragswerkstätten der Versicherungen. Auf derartige Sonderkonditionen muss sich der Geschädigte nicht verweisen lassen. Es besteht die sekundäre Darlegungs- und Beweislast der beklagten Haftpflichtversicherung.