LG Hamburg zur Gleichwertigkeit der Referenzwerkstatt, Hinweisbeschluss vom 15.5.2013 – 302 S 8/12 –
Wie so oft bei der fiktiven Schadensabrechnung durch den Geschädigten verweisen die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherungen auf von ihr benannte Referenzwerkstätten, die angeblich qualitätsmäßig gleichwertig reparieren, aber preiswerter. Nach der Rechtsprechung des BGH darf der Geschädigte aber nur dann auf eine preiswertere Alternativwerkstatt verwiesen werden, wenn deren günstigere Preise nicht aufgrund einer Vertragsvereinbarung mit dem Haftpflichtversicherer bestehen.
Diese Bedenken hatte die Berufungskammer des Landgerichts Hamburg in einem Berufungsrechtsstreit gegen ein Urteil des AG Hamburg. Mit Hinweisbeschluss vom 15.5.2013 wurde die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung auf die Rechtslage hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Verweisung für den Geschädigten hingewiesen.
Die Kammer weist darauf hin, dass eine vertragliche Beziehung der Beklagten zu dem benannten Referenzbetrieb nach Auffassung der Kammer grundsätzlich geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Verweisung zu begründen, denn ein Verweis an die mit dem Ersatzpflichtigen vertraglich verbundene Reparaturwerkstatt würde die Ersetzungsbefugnis des Klägers nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB unterlaufen. Diese soll dem Gläubiger die Möglichkeit bieten, den Schaden in eigener Regie ohne Einflussmöglichkeiten des Schädigers zu beheben und ihn davon befreien, die beschädigte Sache dem Schädiger oder einer von ihm ausgewählten Person zur Reparatur anvertrauen zu müssen.
Es besteht die Gefahr, dass der Reparaturbetrieb wegen der dauerhaften vertraglichen Verbundenheit mit der Beklagten bei der Durchführung der Reparatur das ihr im Einzelfall bei der Wahl von Methode und Technik zustehende Ermessen zu Gunsten der Beklagten und zu Lasten des Klägers ausübt. Der Geschädigte muss sich nach Auffassung der Kammer auch nicht in die Hand des Schädigers begeben. Ob und inwieweit die vom Referenzbetrieb angebotenen Preise (markt-)üblich sind, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
Die Beklagte kann auch nicht mit dem Einwand durchdringen, die vertragliche Vereinbarung betreffe nur Kaskoschäden und der Kläger müsse sich wegen der gewählten fiktiven Abrechnung nicht tatsächlich in die Hand der Werkstatt begeben. Eine mögliche Interessenkollision bei dem Reparaturbetrieb ist durch die vertragliche Vereinbarung nicht nur bei Kaskoschäden begründet, sondern auch in dem hier in Rede stehenden Fall. Auch ist es gerade Wesen der Ersetzungsbefugnis, sich nicht in die Hand des Schädigers begeben zu müssen und lediglich den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Dies bedeutet, dass der Geschädigte sich auch im Rahmen fiktiver Abrechnung nicht den Einflussmöglichkeiten des Schädigers und dessen Versicherung aussetzen muss.
Die Beklagte hat die vom Kläger behauptete vertragliche Verbindung zur Referenzwerkstatt nicht in Abrede gestellt. Der Kläger hat substantiiert vorgetragen, dass es sich bei der Beklagten quasi um eine Partnerversicherung des Reparaturbetriebs handelt, dementsprechend die Referenzwerkstatt eine Partnerwerkstatt der Versicherung ist. Der Beklagten wird aufgegeben, binnen zwei Wochen im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast näher dazu vorzutragen, ob eine vertragliche Vereinbarung mit der von ihr benannten Referenzwerkstatt besteht und welchen Inhalt diese Vereinbarung gegebenenfalls hat. Auf die prozessuale Wahrheitspflicht der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung wird hingewiesen.
Fazit und Praxishinweis: Dass im konkreten Fall eine vertragliche Beziehung zwischen Referenzwerkstatt und eintrittspflichtiger Kfz-Haftpflichtversicherung besteht, ist durch das Nichtbestreiten der beklagten Haftpflichtversicherung unstreitig geworden. Wenn die genannten geringeren Preise auf Sondervereinbarungen mit der Versicherung aufgrund der langjährigen Beziehungen beruhen, handelt es sich nicht um marktgerechte Preise, auf die sich der Geschädigte nicht verweisen lassen muss. Dies gilt insbesondere für Stundensätze bei Vertragswerkstätten der Versicherungen. Auf derartige Sonderkonditionen muss sich der Geschädigte nicht verweisen lassen. Es besteht die sekundäre Darlegungs- und Beweislast der beklagten Haftpflichtversicherung.