Das Amtsgericht Hamburg kommt in seinem Urteil vom 07.08.2017 – Az.: 35 aC 151/15 – zu dem Ergebnis, dass der Geschädigte auch dann Anspruch auf Ersatz der Reparaturkostenrechnung im Rahmen der „130%-Rechtsprechung“ hat, wenn sich der Wiederbeschaffungswert nachträglich als geringer erweist, als in dem vorgerichtlichen Schadengutachten ermittelt wurde und damit die „130%-Grenze“ bei ex-post-Betrachtung überschritten war. Der Geschädigte durfte darauf vertrauen, dass sich die Kosten der Reparatur noch im Rahmen des von der Rechtsprechung zugebilligten sog. Integritätszuschlags bewegen. Der Geschädigte durfte sich insoweit auf die Richtigkeit der sachverständigenseits ermittelten Werte verlassen. Das Risiko, dass sich die Einschätzung des Sachverständigen im Nachhinein nicht bestätigt, soll nicht zu Lasten des Geschädigten, sondern allein des Schädigers und seiner Haftpflichtversicherung gehen, da der Schädiger den Geschädigten in die missliche Lage gebracht hat, von Prognosen von Sachverständigen über die Reparaturwürdigkeit des Fahrzeugs abhängig zu sein. Dies gilt auch dann, wenn der Geschädigte bei der Begutachtung geringe Altschäden nicht angegeben hat und es sich bei diesen um allgemein übliche Gebrauchsspuren handelt.
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Das Landgericht Köln kommt in seinem Urteil vom 29.03.2016 – Az.: 36 O 65/15 – zu dem Ergebnis, dass der Geschädigte auf Basis des von ihm in Auftrag gegebenen Privatgutachtens darauf vertrauen kann, dass der darin vorgeschlagene Reparaturweg (Austausch des Lenkgetriebes) erforderlich ist. Der selbst nicht sachverständige Kläger hat mit der Begutachtung seines beschädigten Pkw einen Sachverständigen beauftragt, auf dessen Fachkunde er vertrauen durfte. Auf Basis der Feststellung des Sachverständigen hat er die Reparatur des Fahrzeuges bei einer Werkstatt in Auftrag gegeben. Die Ausführung der Reparatur erfolgte im vorgegebenen Rahmen.
Dem Kläger steht für die gesamte Zeit der reparaturbedingten Nichtverfügbarkeit seines Kfz Nutzungsausfallentschädigung zu. Diese Zeit begann bereits mit dem Unfall, da ab diesem Moment nach dem unwidersprochenen, auf dem Privatgutachten basierenden Vortrag des Klägers das Kfz zwar fahrbereit, jedoch nicht verkehrssicher war. Ob die Reparaturdauer objektiv zu lang war, ist unerheblich, denn der diesbezügliche zeitliche Ablauf lag nicht in der Hand des Klägers. Die Verzögerung der Reparatur erreichte auch nicht ein derartiges Ausmaß, dass der Kläger gehalten gewesen wäre, aktiv zu werden und darauf hinzuwirken, dass die Werkstatt die Reparatur schneller vorantreibt.
Der Kläger hat auch Anspruch auf Kompensation des an seinem Kfz entstandenen merkantilen Minderwerts. Der geltend gemachte und vom gerichtlichen Sachverständigen festgestellte merkantile Minderwert liegt lediglich bei ca. 1,5 % des geschätzten Wiederbeschaffungswerts. Es handelt sich damit in Anbetracht der zwar auf den ersten Blick geringen Unfallschäden, die aber dennoch zu umfangreichen Reparaturen geführt haben, um eine nachvollziehbare und angemessene Größe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Unfall zu Schäden am Kfz des Klägers geführt hat, die aufgrund des Reparaturaufwandes beim Weiterverkauf offenbarungspflichtig wären. Das LG Köln hat die Sachverständigenkosten in voller Höhe der Beklagten auferlegt, da sie mit ihrem diesbezüglichen Vortrag vollständig unterlegen ist.
Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall gab der Geschädigte ein Sachverständigengutachten in Auftrag. Aufgrund dieses Gutachtens bezifferte der Geschädigte seinen Schaden. Im Gutachten hatte der beauftragte Sachverständige die Preise einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde gelegt. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung regulierte jedoch nur zu Preisen einer nicht markengebundenen Alternativwerkstatt. Damit war der Geschädigte nicht einverstanden und klagte bei dem Amtsgericht Hamburg die gekürzten Stundensätze ein. Die Klage vor dem AG Hamburg hatte mit Urteil vom 24.10.2013 – 55 C 33/13 – Erfolg. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung legte Berufung ein. Die Berufungskammer des LG Hamburg beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kammer beabsichtigt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Soweit die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung Einwendungen zur Schadenshöhe aufgrund der Benennung von Verweisungswerkstätten erhoben hat, hat das Amtsgericht Hamburg diese Einwendungen zutreffend als rechtlich unerheblich angesehen, weil es an einem konkreten Tatsachenvortrag zu der (streitigen) Gleichwertigkeit der Reparaturleistungen in den angegebenen Verweisungswerkstätten fehlt. Die Ansicht der Beklagten, dass der Nachweis einer lückenlosen Wartung in einer markengebundenen Fachwerkstatt zwingende Voraussetzung sei, um die Verrechnungssätze in einer markengebundenen Fachwerkstatt auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung beanspruchen zu können, ist rechtsirrig. Vielmehr genügt der Geschädigte nach der Rechtsprechung des BGH dem Wirtschaftlichkeitsgebot, wenn er – wie hier – der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm beauftragter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt entwickelt hat.
Es obliegt dem Schädiger die Darlegung und der Beweis, dass es eine anderweitige günstigere Reparaturmöglichkeit gibt, die nicht nur mühelos und ohne weiteres zugänglich ist, sondern gegenüber einer markengebundenen Fachwerkstatt auch technisch gleichwertig repariert. Genau dieses hat die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung jedoch nicht getan, weil sich ihr Vortrag zu den Verweisungswerkstätten überhaupt nicht mit dem hier zugrunde liegenden Schadensbild an dem Fahrzeug des Klägers, sowie der Ausstattung der Verweisungswerkstätten und deren Erfahrungen mit entsprechenden Schäden beschäftigt.
Die bloße Behauptung, dass die Verweisungsstätten sehr wohl in der Lage sind, den behaupteten klägerischen Schaden sach- und fachgerecht wie eine markengebundene Fachwerkstatt zu reparieren enthält insoweit keinerlei Substanz. Sie ersetzt einen konkreten Vortrag zu den Erfahrungen, der Ausstattung und den Fähigkeiten der Verweisungswerkstätten nicht, worauf bereits das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat. Wenn der Schädiger den Geschädigten auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit verweisen will, muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die von ihm benannte Alternativwerkstatt qualitativ gleichwertig repariert. Die Beweislast liegt beim Schädiger.
Fazit und Praxishinweis: Will der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 II BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen Alternativwerkstatt verweisen, so muss der Schädiger darlegen und gegebenenfalls beweisen, wenn dies vom Geschädigten bestritten wird, dass die Reparatur in der Alternativwerkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in der Markenfachwerkstatt entspricht (BGH VersR 2010, 225). Die Darlegungs- und Beweislast für die qualitative und technisch gleichwertige Reparatur in der Alternativwerkstatt im Vergleich zu der Markenfachwerkstatt trägt der Schädiger.
Wie so oft bei der fiktiven Schadensabrechnung durch den Geschädigten verweisen die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherungen auf von ihr benannte Referenzwerkstätten, die angeblich qualitätsmäßig gleichwertig reparieren, aber preiswerter. Nach der Rechtsprechung des BGH darf der Geschädigte aber nur dann auf eine preiswertere Alternativwerkstatt verwiesen werden, wenn deren günstigere Preise nicht aufgrund einer Vertragsvereinbarung mit dem Haftpflichtversicherer bestehen.
Diese Bedenken hatte die Berufungskammer des Landgerichts Hamburg in einem Berufungsrechtsstreit gegen ein Urteil des AG Hamburg. Mit Hinweisbeschluss vom 15.5.2013 wurde die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung auf die Rechtslage hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Verweisung für den Geschädigten hingewiesen.
Die Kammer weist darauf hin, dass eine vertragliche Beziehung der Beklagten zu dem benannten Referenzbetrieb nach Auffassung der Kammer grundsätzlich geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Verweisung zu begründen, denn ein Verweis an die mit dem Ersatzpflichtigen vertraglich verbundene Reparaturwerkstatt würde die Ersetzungsbefugnis des Klägers nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB unterlaufen. Diese soll dem Gläubiger die Möglichkeit bieten, den Schaden in eigener Regie ohne Einflussmöglichkeiten des Schädigers zu beheben und ihn davon befreien, die beschädigte Sache dem Schädiger oder einer von ihm ausgewählten Person zur Reparatur anvertrauen zu müssen.
Es besteht die Gefahr, dass der Reparaturbetrieb wegen der dauerhaften vertraglichen Verbundenheit mit der Beklagten bei der Durchführung der Reparatur das ihr im Einzelfall bei der Wahl von Methode und Technik zustehende Ermessen zu Gunsten der Beklagten und zu Lasten des Klägers ausübt. Der Geschädigte muss sich nach Auffassung der Kammer auch nicht in die Hand des Schädigers begeben. Ob und inwieweit die vom Referenzbetrieb angebotenen Preise (markt-)üblich sind, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
Die Beklagte kann auch nicht mit dem Einwand durchdringen, die vertragliche Vereinbarung betreffe nur Kaskoschäden und der Kläger müsse sich wegen der gewählten fiktiven Abrechnung nicht tatsächlich in die Hand der Werkstatt begeben. Eine mögliche Interessenkollision bei dem Reparaturbetrieb ist durch die vertragliche Vereinbarung nicht nur bei Kaskoschäden begründet, sondern auch in dem hier in Rede stehenden Fall. Auch ist es gerade Wesen der Ersetzungsbefugnis, sich nicht in die Hand des Schädigers begeben zu müssen und lediglich den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Dies bedeutet, dass der Geschädigte sich auch im Rahmen fiktiver Abrechnung nicht den Einflussmöglichkeiten des Schädigers und dessen Versicherung aussetzen muss.
Die Beklagte hat die vom Kläger behauptete vertragliche Verbindung zur Referenzwerkstatt nicht in Abrede gestellt. Der Kläger hat substantiiert vorgetragen, dass es sich bei der Beklagten quasi um eine Partnerversicherung des Reparaturbetriebs handelt, dementsprechend die Referenzwerkstatt eine Partnerwerkstatt der Versicherung ist. Der Beklagten wird aufgegeben, binnen zwei Wochen im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast näher dazu vorzutragen, ob eine vertragliche Vereinbarung mit der von ihr benannten Referenzwerkstatt besteht und welchen Inhalt diese Vereinbarung gegebenenfalls hat. Auf die prozessuale Wahrheitspflicht der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung wird hingewiesen.
Fazit und Praxishinweis: Dass im konkreten Fall eine vertragliche Beziehung zwischen Referenzwerkstatt und eintrittspflichtiger Kfz-Haftpflichtversicherung besteht, ist durch das Nichtbestreiten der beklagten Haftpflichtversicherung unstreitig geworden. Wenn die genannten geringeren Preise auf Sondervereinbarungen mit der Versicherung aufgrund der langjährigen Beziehungen beruhen, handelt es sich nicht um marktgerechte Preise, auf die sich der Geschädigte nicht verweisen lassen muss. Dies gilt insbesondere für Stundensätze bei Vertragswerkstätten der Versicherungen. Auf derartige Sonderkonditionen muss sich der Geschädigte nicht verweisen lassen. Es besteht die sekundäre Darlegungs- und Beweislast der beklagten Haftpflichtversicherung.