Schlagwortarchiv für: Haftungsverteilung

Anscheinsbeweis zu Lasten des Wendenden, Haftungsverteilung 100:0

Das LG Hamburg führt in seinem Urteil vom 31.07.2015 – Az.: 331 O 258/14 – aus, dass dann, wenn sich ein Verkehrsunfall im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit einem Wendemanöver und Ausfahrmanöver ereignet hat, nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins feststeht, dass der Wendende gegen § 9 Abs. 5 und § 10 StVO verstoßen hat. Er hat sich nicht so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer – hier des fließenden Verkehrs – ausgeschlossen war. Im vorliegenden Fall ist es nicht gelungen, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Es ist nicht gelungen, Umstände darzulegen, wonach es ernsthaft möglich erscheint, dass sich in dem Verkehrsunfall trotz des durchgeführten Wende- bzw. Einfahrmanövers die diesem Fahrmanöver typischerweise innewohnende erhöhte Verkehrsgefährdung gerade nicht verwirklicht hat. Das LG Hamburg hat auf dieser Grundlage eine Haftungsverteilung im Verhältnis 100:0 zu Lasten des Wendenden für angemessen erachtet.

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Haftungsverteilung bei Schaden durch liegengebliebene Reifenteile/Sichtfahrgebot

Das AG Arnstadt vertritt in seinem Urteil vom 17.06.2015 – Az.: 22 C 276/14 – die Auffassung, dass eine Reifenkarkasse, die sich während der Fahrt vom Fahrzeug löst und zum Hindernis für den nachfolgenden Verkehr wird, eine typische von einem Kfz ausgehende Gefahr darstellt. Der Unfall war im vorliegenden Fall kein unabwendbares Ereignis, so dass gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge vorzunehmen war. Das AG Arnstadt geht aufgrund von Zeugenaussagen davon aus, dass das Reifenteil bei den vorherrschenden Sichtverhältnissen relativ schwer erkennbar war. Mit einem solchen schwer zu erkennenden Hindernis muss ein Kfz-Fahrer nicht rechnen. Grundsätzlich darf ein Kraftfahrer bei Dunkelheit auch auf Autobahnen nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke halten kann. Das Sichtfahrgebot gilt aber auch auf Autobahnen nicht für solche Hindernisse, die erst außergewöhnlich spät sichtbar werden. Der BGH hat für ein auf der Autobahn liegendes Reserverad einen Verstoß gegen das Sichtfahrgebot abgelehnt. Da eine Reifenkarkasse nur der Teil eines Rades und deshalb noch schwerer zu erkennen ist, ist dem Fahrer auch hier kein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot vorzuwerfen.

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