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Arglistige Täuschung durch den Verkäufer eines Gebrauchtwagens

Das Landgericht Darmstadt hat durch Urteil vom 06.11.2013 – Aktenzeichen: 4 O132/13 – entschieden, dass eine arglistige Täuschung durch den Verkäufer nur dann gegeben ist, wenn dieser den maßgeblichen Umstand kennt oder zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Umstand nicht kennt und bei Offenlegung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Dem steht das aktive Vortäuschen der Mangelfreiheit gleich, wobei der Verkäufer auch dann arglistig handelt, wenn er bewusst Angaben „ins Blaue hinein“ macht. Dagegen genügt es nicht, wenn sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Angaben hätte aufdrängen müssen. Selbst ein bewusstes Sichverschließen genügte nicht den Anforderungen, welche an die Arglist zu stellen sind. Fahrlässige Falschangaben oder fahrlässiges Verschweigen führen nicht zur Haftung des Verkäufers. Dies gilt auch im Falle grober Fahrlässigkeit, d. h., wenn der Verkäufer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in objektiv besonders schwerwiegendem Maße verletzt und das nicht beachtet, was im konkreten Fall jedem einleuchten muss. Für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls ist der Kläger in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig. Im vorliegenden Fall hatte der Käufer die Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrags wegen angeblichen „Chiptunings“ verlangt. Der Verkäufer bestreitet das „Chiptuning“. Eine in der ISPA-Historie abgelegte Neukodierung oder Neuprogrammierung des Fahrzeugs sei möglicherweise durch einen Systemabsturz bedingt gewesen. Die Neuprogrammierung stelle kein Tuning dar. Das LG Darmstadt vertrat die Auffassung, dass sich aus dem Vorwurf des Käufers, der Verkäufer hätte als BMW-Vertragshändler die Reparaturhistorie des Fahrzeugs vor Vertragsabschluss prüfen, hieraus das Chiptuning erkennen und ihn hierüber informieren müssen – das Vorbringen des Käufers als richtig unterstellt – lediglich der Vorwurf der Fahrlässigkeit ergebe. Denn selbst wenn der Verkäufer der Nachprüfungspflicht im Hinblick auf die Reparaturhistorie nicht nachgekommen wäre, ergäbe sich hieraus kein Hinweis darauf, dass er dem Käufer bewusst das Vorliegen eines Chiptunings verschwiegen hat.

Die Prüfung, ob ein Chiptuning bei Übergabe des Fahrzeuges vorlag und ob es sich hierbei um einen Sachmangel i. S. d. § 434 Abs. 1 BGB handelt, konnte dahinstehen, da die kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche verjährt waren.

Volltext: LG Darmstadt.pdf

Arglistige Täuschung beim Gebrauchtwagenkauf liegt dann vor, wenn über Unfallschäden nicht hinreichend aufgeklärt wurde/zu ersetzender Vertrauensschaden

Das OLG Braunschweig kommt in seinem Urteil vom 06.11.2014 – Az: 8 U 163/13 – zu dem Ergebnis, dass der Verkäufer dann arglistig über die Unfallfreiheit des Fahrzeuges täuscht, wenn er den Käufer, der fragt, ob der Gebrauchtwagen in einen Unfall verwickelt war, nicht umfassend über die Unfallschäden aufklärt. Der Verkäufer ist in diesem Fall verpflichtet, Beschädigungen des Fahrzeuges auch dann mitzuteilen, wenn es sich nach seiner Auffassung lediglich um etwaige „Blechschäden“ ohne weitere nachteilige Folgen handelt. Der Verkäufer hat das volle Ausmaß des Unfallschadens und die zur Instandsetzung erforderlichen Arbeiten mitzuteilen. Er darf insbesondere den Unfall oder den Umfang des Schadens nicht bagatellisieren. Es kann keinesfalls dem Ermessen des ausdrücklich um Aufklärung gebetenen Verkäufers oder seines Vertreters überlassen bleiben, den erlittenen Schaden für unerheblich, für den Käufer nicht wesentlich und deshalb nicht der Mitteilung für wert zu erachten. Der Verkäufer muss vielmehr, um den Vorwurf der Arglist zu vermeiden, durch die Mitteilung dessen, was ihm bekanntgegeben wurde, dem Käufer den Entschluss überlassen, ob er den Wagen überhaupt bzw. zu diesem Preis erwerben will.

Im vorliegenden Fall hätte der Verkäufer auch ohne Nachfrage von sich aus auf die fehlende Unfallfreiheit hinweisen müssen, denn der Verkäufer eines Gebrauchtwagens muss einen Schaden oder Unfall, der ihm bekannt ist oder mit dessen Vorhandensein er rechnet, grundsätzlich auch ungefragt dem Käufer mitteilen, wenn er sich nicht dem Vorwurf arglistigen Verschweigens aussetzen will, es sei denn, der Schaden oder Unfall war so geringfügig, dass er bei vernünftiger Betrachtungsweise den Kaufentschluss nicht beeinflussen kann. Die Grenze für nichtmitteilungspflichtige „Bagatellschäden“ ist bei Personenkraftwagen sehr eng zu ziehen.

Nach Ansicht des OLG Braunschweig sind auch die Kosten für die Abholung und die Anmeldung des neuen sowie die Abmeldung des alten Fahrzeuges zu ersetzen. Auch die jeweils neu angeschafften Winter- bzw. Sommerreifen gehören inklusive der Kosten der Montage und der Entsorgung der Altreifen zu den zu erstattenden notwendigen Aufwendungen. Auch die Kosten der Inspektion und der Hauptuntersuchung sind als notwendige Verwendung zu ersetzen.

Weitere Einzelheiten können dem ausführlich begründeten Urteil des OLG Braunschweig entnommen werden.

Volltext: OLG Braunschweig.pdf